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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Konsonanten rollte wie ein Hozkarren über Kieselsteine.
    „Ja, flüchtig. Aber ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.“
    „Warum dann ausgerechnet Sie?“, wollte der Hüne wissen.
    Servaz zögerte abermals.
    „Wahrscheinlich weil mein Name Schlagzeilen gemacht hat.“
    Der Mann schwieg einen Moment. Servaz spürte, dass der Koloss ihn aus seinen zwei Metern Höhe musterte. Er ahnte seinen Blick in der Finsternis, und es schauderte ihn: der Neue erinnerte ihn an eine Steinskulptur auf der Osterinsel.
    „Ja, natürlich … Das Blutbad in Saint-Martin-de-Comminges. Natürlich … Das waren Sie … Was für eine unglaubliche Geschichte, nicht wahr? Ein solcher Fall geht doch bestimmt nicht spurlos an einem vorüber, oder, Commandant?“
    Irgendetwas an dem Tonfall des Staatsanwalts missfiel Servaz in höchstem Grade.
    „Aber das erklärt noch immer nicht, wieso Sie hier sind …“
    „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Hugos Mutter mich gebeten hat, herzukommen und mich ein bisschen umzusehen.“
    „Soviel ich weiß, wurde Ihnen der Fall noch nicht übertragen“, antwortete der Staatsanwalt in schneidendem Ton.
    „Nein, das stimmt.“
    „Dafür ist die Staatsanwaltschaft Auch zuständig, nicht die von Toulouse.“
    Fast Servaz hätte erwidert, dass der Staatsanwaltschaft Auch nur eine relativ kleine Fahndungsgruppe der Kripo zur Verfügung stand – und dass ihr in den letzten Jahren kein einziger größerer Kriminalfall übertragen worden war -, aber er schwieg.
    „Sie haben bis hierher einen weiten Weg auf sich genommen, Commandant. Und ich vermute, dass Sie, wie wir alle, deshalb das Fußballspiel verpassen. Dann werfen Sie ruhig einen Blick nach oben, aber ich warne Sie: Es ist kein schöner Anblick … Aber im Unterschied zu uns haben Sie wohl schon Schlimmeres gesehen.“
    Servaz nickte nur. Plötzlich wusste er, dass er sich diesen Fall unter keinen Umständen entgehen lassen durfte.
     
    Die Puppen starrten in den nächtlichen Himmel. Servaz sagte sich, dass eine im Swimmingpool treibende Leiche in etwa den gleichen Blick hätte. Sie schaukelten hin und her, ihre blassen Kleider wogten alle im gleichen Rhythmus, manchmal stießen sie leicht gegeneinander. Er stand mit Espérandieu am Rand des Beckens. Sein Mitarbeiter hatte einen Regenschirm von der Größe eines Sonnenschirms über ihnen aufgespannt. Der Regen prasselte darauf, ebenso wie auf die Steinplatten und auf ihre Schuhspitzen. Der Wind peitschte den Regen gegen den wilden Wein an der Fassade hinter ihnen.
    „Verdammt“, sagte sein Mitarbeiter nur. Sein Lieblingswort, wenn es darum ging, eine in seinen Augen undurchschaubare Situation auf den Punkt zu bringen.
    „Sie hat Puppen gesammelt“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass der Mörder sie mitgebracht hat. Er muss sie im Haus vorgefunden haben.“
    Servaz nickte zustimmend. Er zählte. Neunzehn … Ein weiterer Blitz erleuchtete die tropfnassen Gesichter. Am Verblüffendsten waren all diese starren Blicke. Er wusste, dass sie dort oben ein ähnlicher Blick erwartete, und er bereitete sich innerlich darauf vor.
    „Gehen wir!“
    Sobald sie im Haus waren, streiften sie sich Handschuhe, Kunststoffhauben und Einwegüberschuhe über. Die Schleier der Nacht hüllten sie ein; das Notstromaggregat funktionierte immer noch nicht, offenbar gab es ein technisches Problem. Schweigend rüsteten sie sich im Dunkeln für die Besichtigung des Tatortes. Weder er noch Vincent hatten jetzt Lust zu reden. Servaz nahm seine Taschenlampe und schaltete sie ein. Espérandieu tat das Gleiche. Dann begannen sie die Treppe hinaufzusteigen.

4
     
    Beleuchtungen
    Das durch die Dachfenster einfallende Flackern der Blitze erhellte die Stufen, die unter ihren Schritten knarrten. Im Schein der Taschenlampen, der ihre Gesichter von unten her beleuchtete und plastisch modellierte, sah Espérandieu die Augen seines Chefs wie zwei schwarze Kieselsteine leuchten, während er mit gesenktem Kopf nach Schrittspuren auf der Treppe spähte. Die Füße setzte er so nah wie möglich an den Fußleisten auf und spreizte dabei die Beine wie ein Gorilla.
    „Hoffen wir, dass der Herr Staatsanwalt es genauso gemacht hat“, sagte er.
    Jemand hatte eine Sturmlaterne auf den letzten Treppenabsatz gestellt. In ihrem verschwommenen Schimmer zeichnete sich die einzige Tür ab.
    Das Haus ächzte noch immer unter dem tosenden Gewitter. Servaz blieb vor der Tür stehen. Er sah auf seine Uhr. 23.10 Uhr. Ein ungewöhnlich heller

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