Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
Arschlöcher! Ich ficke eure Mütter! Verdammte Wichser, ich ficke euch alle!“
    Die Beleidigungen halfen ihm über die Angst. Er wusste, dass sie ihn umbringen würden. Und er wusste, dass es kein angenehmer Tod sein würde. Er musste nur daran denken, was dieser Lehrerin passiert war … Sadisten … Er war mit Frauen nie sehr zärtlich umgegangen. Er hatte sie geschlagen und vergewaltigt, aber was dieser Lehrerin angetan worden war, war einfach unfasslich – selbst für jemanden wie ihn. Ein Schauder überlief ihn. Ein Schauder des Selbstmitleids bei dem Gedanken daran, was ihn erwartete.
    Er roch die Hunde, den starken, säuerlichen Geruch, den sein eigener Körper ausströmte, und die reicheren Nuancen des durftenden Waldes: Sie hatten ihn draußen, in der Dunkelheit, auf der Veranda gefesselt. In der Erstarrung, die die Natur ringsherum befallen zu haben schien, glaubte er sogar eine sehr schwache Abendbrise zu spüren, wie eine unterirdische Strömung. Staubkörnchen und Insekten tanzten im brutalen Licht der Scheinwerfer, das in den Augen wehtat. Er nahm jedes Detail in einer unglaublichen Schärfe wahr – einschließlich der Wolke von Speicheltröpfchen, die jedes Mal, wenn er schrie, aus seinem Mund sprühte. Plötzlich erwachte alles um ihn herum zu einem vielfach gesteigerten Leben, alles enthüllte seinen wahren, endgültigen Wert.
    „Ich habe keine Angst“, sagte er. „Bringt mich doch um, das ist mir sowieso egal.“
    „Ach ja?“, sagte eine der Gestalten interessiert. „Na, dann ist ja gut!“
    Der Typ trug wie die anderen ein schweißgetränktes Sweatshirt, und sein Gesicht blieb im Schatten seiner Kapuze verborgen.
    „Angst wirst du schon noch kriegen, glaub mir“, sagte ruhig jemand anderes.
    Irgendetwas an der Stimme ließ ihn zusammenfahren. Diese Sicherheit. Diese Ruhe. Diese Kälte. Er sah, wie sie auf dem Boden der Veranda eine Rolle glänzende Frischhaltefolie abwickelten. Ihm wurde schwindlig. Sein Herz flatterte in seiner Brust wie ein Vogel, der in einem Käfig nach einem Ausgang sucht.
    „Was macht ihr da?“
    „Ach, das interessiert dich auf einmal?“
    Sie richteten sich wieder auf und begannen die Frischhaltefolie um seinen Rumpf, seine nackten, muskulösen Arme und um die Rückenlehne des Stuhls zu wickeln. Er versuchte zu lächeln.
    „Was soll das denn werden?“
    „Was das werden soll?“ Sie glucksten. „Das wird was Leckeres für die Wauwaus …“
    Die Gestalten verschwanden aus seinem Gesichtsfeld. Er hörte sie drinnen den Kühlschrank öffnen und wieder schließen, dann kehrten sie mit großen Schritten zurück. Unvermittelt schoben Hände in Gummihandschuhen frische, blutige Fleischstücke zwischen die Frischhaltefolie und seinen Bauch. Er zuckte. Als sie mehrere Schnitzel auf seine Wampe gelegt hatten, gingen sie mit der Frischhaltefolie wieder um den Stuhl herum, und bei jeder Umrundung kamen sie seiner Kehle etwas näher. Dann schoben sie weitere kühle Stücke Gammelfleisch – er kaufte es billig für seine Tiere – zwischen die Frischhaltefolie, seine Brust und seinen Hals.
    „Was spielt ihr da, verdammt?“
    Plötzlich schlitzte ein Cutter seine Wange auf. Das warme Blut floss über sein Kinn und seinen Hals, über die Frischhaltefolie und das Fleisch.
    „Aua! Mensch, ihr seid ja echt krank!“
    „Hast du gewusst, dass das PVC dieser Folie zu 56 Prozent aus Salz und zu 44 Prozent aus Erdöl besteht?“
    Sie umkreisten ihn weiterhin, als wäre er ein Forschungsreisender, der von Eingeborenen gefangen und an einen Opferpfahl gebunden wurde. Wieder spürte er die kühle Berührung der Frischhaltefolie an seinem Hals und seinem glühenden Nacken, dann die Kühle der Fleischstücke, die zwischen die Haut und den Kunststoff geschoben wurden. Mit den letzten Schnitzeln rieben sie ihm das Gesicht ab. Er warf den Kopf hin und her und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
    „Hört auf! Hört sofort auf damit, ihr verdammten Arschlöcher …“
    Sie gingen noch einmal nach innen; er hörte, wie sie den Wasserhahn aufmachten und sich mit reichlich Wasser die Hände wuschen, während sie sich unterhielten. Er wollte sich bewegen. Sobald sie fort wären, würde er den Stuhl umwerfen und versuchen ihn zu zerbrechen, um sich zu befreien. Aber hätte er genug Zeit dafür? Dicke Schweißtropfen rannen ihm über die Stirn und in den Bart hinein, er zwinkerte, um den Schweiß zu vertreiben, der von seinen Brauen tropfte und ihm in den Augen brannte. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher