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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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du sicher?“
    „Ja.“
    Samira und er wechselten einen Blick. Der Satz in dem Heft, das er auf Claires Schreibtisch gefunden hatte, stammte nicht von ihrer Hand, und ganz offensichtlich war Hugo unter Drogen gesetzt worden. Morgen würden sie den Richter anrufen, aber er war sich nicht sicher, ob diese neuen Elemente nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen genügen würden, um seine Freilassung zu erreichen.
    Samira sah ihn an. Sie erwartete seine Entscheidung. Servaz starrte David an, während er sich fragte, ob er den Wunsch seiner Tochter respektieren sollte. Dann schüttelte auch er den Kopf.
    „Verdufte!“, sagte er schließlich. „Und sag es den anderen: Wenn deine kleine Bande und du meiner Tochter auch nur ein Haar krümmt, dann mach ich euch das Leben zur Hölle.“
    David stand auf und ging mit gesenktem Kopf hinaus. Servaz stand auf.
    „Ihr bezieht wieder eure Positionen“, sagte er zu Samira. „Erkundigt euch beim Drogendezernat, ob sie diesen ‚Heisenberg‘ kennen.“
    Er verließ das Zimmer und ging durch den Flur. Er kannte das Gebäude wie seine Westentasche. Beinahe jeder Schritt, den er machte, war mit Erinnerungen verbunden. Eine davon kam ihm jetzt hoch. Vor seiner Zeit auf dem Gymnasium … Francis und er. Sie waren vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Francis zeigte auf eine Eidechse, die sich auf einer Mauer sonnte. „Guck mal!“ Auf einmal schnitt er der Eidechse mit einer Schaufel oder einem rostigen Messer den Schwanz ab. Der Schwanz krümmte sich, als hätte er ein Eigenleben, während die Eidechse losrannte und sich in einem Versteck in Sicherheit bringen wollte. Aber während der junge Martin noch in die Betrachtung dieses vom Körper abgetrennten, zuckenden Schwanzstummels versunken war, hatte Francis bereits einen großen Stein aufgehoben und den Kopf des Reptils zerschmettert, ehe es in einem Loch verschwunden war.
    „Warum hast du das getan?“, hatte Martin gefragt.
    „Weil es eine List ist: Der Fressfeind richtet seine Aufmerksamkeit auf diesen sich windenden Schwanzstummel, und die Eidechse nutzt seine Ablenkung, um zu fliehen.“
    „Musstest du sie unbedingt töten?“
    „Ich bin eben ein intelligenteres Raubtier als die anderen“, hatte Francis geantwortet.
    Er öffnete die zweite Tür links. Ein ehemaliges Klassenzimmer. Margot erwartete ihn. Sie saß an einem Schultisch, kaute an den Nägeln und hatte ihre Ohrhörer eingestöpselt. Als er reinkam, zog sie sie aus.
    „Habt ihr ihn laufen lassen?“
    Servaz nickte.
    „So eine Blamage!“, sagte sie. „Jetzt schauen mich alle an wie die Pest.“
    „Das ist nicht deine Schuld …“
    „Ich soll hier noch ein zweites Jahr bleiben, Papa. Wie soll ich mit dem Etikett ‚das Mädchen, dem man nicht zu nahe kommen sollte, weil es unter Polizeischutz steht‘ Freunde finden?“
    „Sagt dir der Name ‚Heisenberg‘ etwas?“
    „Meinst du den Begründer der Quantenmechanik oder die Serienfigur aus Breaking Bad ?“
    Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte geantwortet, ohne im Geringsten zu zögern und ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz offensichtlich hatte sie noch nie von einem Dealer mit dem Spitznamen ‚Heisenberg‘ gehört.
    „Was für eine Serie ist das?“
    „Da geht es um einen Chemielehrer, bei dem Krebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, und um seine Familie nach seinem Tod finanziell abzusichern, steigt er in die Herstellung und den Handel mit Drogen ein. Seit wann interessierst du dich für Fernsehserien?“
    Daher also der Spitzname, dachte er, während er sich fragte, wie man auf Grundlage so einer Idee eine Fernsehserie kreieren konnte.
    „Du hast ihr Gespräch belauscht“, sagte er plötzlich. „Worüber haben sie gesprochen?“
    Er sah, wie sie die Stirn runzelte und nachdachte.
    „Ich weiß nicht … Es ist ziemlich verworren … und seltsam. David hat gesagt, dass es ihm reicht … dass er nicht weitermachen will.“
    „Was weitermachen?“
    „Keine Ahnung. Und dann meinte Virginie, sie könnten ihn nicht fallenlassen, Hugo würde sie alle lieben … Ach ja, und da hat sie von etwas gesprochen, was noch merkwürdiger ist: dem Kreis … Sie hat gesagt, dass sich der Kreis demnächst versammeln wird.“
    „ Der Kreis? “
    „Ja.“
    Beinahe hätte sie ihm gesagt, dass sich der Kreis am 17. dieses Monats zusammentreten würde, aber sie tat es nicht. Warum? Warum behielt sie das für sich? Was ist denn mit dir los? Im Moment wussten nur Elias und sie Bescheid.

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