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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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er nicht nur, was er täglich in den Zeitungen las, sondern auch seine seltsame Zwitterstellung zwischen den großen Träumen von vor der Flucht und seiner zugleich unwürdigen und doch beneidenswerten Situation hier in der Fremde; doch gelegentlich überkam ihn auch einfach die Sehnsucht nach den weiten Ebenen seiner glutheißen Heimat.
    Er schaltete den Staubsauger aus, nahm eine Dose Teppichschaum vom Reinigungswagen und sprühte zwei Flecken ein, dann leerte er die Papierkörbe in einen schwarzen Müllbeutel. Er nahm einen Lappen und ein Fläschchen Reinigungsmittel und trat an den Schreibtisch, auf den man ihn angesetzt hatte. Er lauschte. Nichts Verdächtiges zu hören. Nur seine Kollegen, die auf dem Flur schwatzten. Sein Herz trommelte. Trotz der frühen Stunde hielten sich am anderen Ende des Gangs zwei Polizisten auf, die hier Bereitschaftsdienst hatten, wie er im Vorbeigehen gesehen hatte. Als ihm der Dicke mit der Sonnenbrille die Adresse genannt hatte, war ihm gleich klar gewesen, dass er noch nicht am Ende seiner Probleme war.
    Seine Hand zitterte, als er den kleinen USB-Stick aus seiner Arbeitskleidung zog. In diesem Büro stand nur ein Computer, Verwechslungen waren ausgeschlossen. Er auf das Morgenrot am lachsrosa Himmel. Wenn er es jetzt nicht tat, würde er nie mehr den Mut dafür aufbringen. Er warf einen Blick zur Tür.
    Jetzt …
    Der USB-Stick ließ sich mühelos in die seitliche Buchse stecken. Mit dem Daumen drückte er die Start-Taste, und in der Maschine summte es … Er spürte, wie seine Nervosität wuchs, während der Computer hochfuhr und der USB-Stick mit einem Blinken anzeigte, dass das Programm hochgeladen wurde. Er kannte sich mit Computern aus. Der Dicke hatte recht: Der Stick war ganz offensichtlich so programmiert worden, dass er die Boot-Sequenz der Maschine überlistete. Auch die Passwort-Sicherung und das Antivirenprogramm umging er – Drissa wusste, dass sich im Internet relativ einfach Hacker finden ließen, die solche Dinge beherrschten. Im Grunde bestand die größte Schwierigkeit darin, zu dem anvisierten Rechner zu gelangen – und dafür war der menschliche Faktor einfach unersetzlich. Schneller … Er sah auf seine Uhr. Der Typ hatte ihm gesagt, der Stick würde aufhören zu blinken, wenn das Programm hochgeladen war. Unterdessen wurde der Bildschirmhintergrund angezeigt: eine banale Landschaft. Wenn jetzt jemand hereinkäme, würde ihm sofort auffallen, dass er den Rechner eingeschaltet hatte, was er selbstverständlich nicht durfte. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er fieberte vor Angst. Schneller, verflucht! Der Mann hatte gesagt, es würde nicht länger als drei Minuten dauern; zweieinhalb lief das Programm schon.
    Plötzlich erstarrte er. Die Bürotür war gerade aufgegangen … Er zuckte zusammen, wie wenn ein Knallkörper unter seinen Füßen explodiert wäre.
    „Was machst du?“
    Wie versteinert starrte er die Person an, die gerade die Tür aufgemacht hatte. Er brachte keinen Ton heraus. Es war Aïcha – eine Kollegin vom Reinigungstrupp, ein freches junges Ding, das sich mit Vorliebe über ihn lustig machte und ihn provozierte. Er sah, wie sich ihre leuchtenden Augen zunächst auf den Computer-Bildschirm und dann auf ihn richteten. Hart und streng.
    „Verschwinde!“, sagte er.
    „Was machst du da, Drissa?“
    „Hau ab!“
    Sie sah ihn scharf an, dann machte sie die Tür wieder zu. Nie mehr! Das war das letzte Mal! Er würde nie mehr irgendetwas Illegales tun, ganz gleich, welche Konsequenzen das hätte. Er schwor es sich, während ihm das Herz bis zum Hals pochte. Der Stick blinkte nicht mehr. Er zog ihn aus der Buchse, steckte ihn in die Tasche und schaltete den Rechner aus.
    Sein Gesicht war schweißnass. Er trat ans Fenster, zog die Jalousien hoch und drückte auf den Sprühkopf des Desinfektionssprays. Er mochte den Frischeduft. Hinter den Scheiben stand der im Osten immer hellere Himmel über den Dächern und leuchtete rosa, grau und blass orange … Heute Abend würde er dem Mann den Stick übergeben, und es wäre vorbei. Aber zuvor wollte er selbst ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen – um sicherzustellen, dass der Typ ihn endgültig in Ruhe ließ. Dieses Mal wäre er nicht mehr so naiv.
     
    „Commandant Servaz?“
    Er sah auf den Wecker. Er hatte ihn offensichtlich nicht läuten gehört. Er war erst gegen vier Uhr eingeschlafen, und im Schlaf hatten ihn Albträume gequält, an die er sich nicht erinnerte, die jedoch ein anhaltendes

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