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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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höhnisches, verächtliches Gelächter aus – und diesmal glaubte sie einen Funken Zweifel in seinen Augen zu erkennen. Dann musterte er sie so, wie ein Forscher eine unerwartete Reaktion bei einem Versuchskaninchen beobachtet.
    „Oh, ich verstehe“, sagte er. „Du hast beschlossen, mich zu provozieren.“
    Er grinste, aber freundlich. Ohne Feindseligkeit.
    „Deine Mutter bläst Schwänze in der Hölle“, sagte sie mit kalter, rauer Stimme.
    Seine Verblüffung nahm zu. Er strich sich den dunklen Spitzbart glatt. Seine kurzgeschnittenen blonden Haare glänzten im Schein der Kerzen und des Kronleuchters. Dann fand er sein Lächeln wieder.
    „Diese Ausdrucksweise passt nicht zu dir“, sagte er immer noch nachsichtig.
    Sie sah ihn nur mit hämischem Grinsen an.
    „ Diese Ausdrucksweise passt nicht zu dir “, wiederholte sie, wobei sie seinen Akzent und seinen snobistischen, näselnden Tonfall nachahmte.
    Seine Augen funkelten kurz vor Wut, aber dann war das Lächeln wieder da.
    „Du dreckiger Lustmolch, Hurensohn, erbärmlicher Schlappschwanz …“
    Er sagte nichts, starrte sie nur an.
    „Deine Mutter war eine Hure, oder?“
    Diesmal lächelte er vergnügt.
    „Du hast vollkommen recht.“
    Diese Reaktion verunsicherte sie kurz – aber sie fing sich wieder. Sie lächelte höhnisch.
    „Was findest du so lustig?“
    „Deinen Stummelschwanz, neulich war ich noch nicht ganz eingeschlafen, da hab ich ihn gesehen.“
    Sie sah, wie sich der Blick am anderen Ende des Tischs erneut verfinsterte. Es schauderte sie, sie wusste, wozu er fähig war.
    „Hör auf.“
    „ Hör auf. “
    Wieder verschleierte eine pechschwarze Wolke kurz seinen Blick. Er wandte sich um und reckte den Arm nach hinten, um an der Stereoanlage auf der Anrichte die Lautstärke hochzudrehen. Die Geigen schwollen an, das Schlagwerk dröhnte und das Blech tobte. Sie fing an, einen Dirigenten nachzuahmen: Sie hob die Arme, fuchtelte wild mit den Händen herum, wiegte mit halb geschlossenen Augen den Kopf hin und her. Sie lächelte. Sie hatte weder Messer noch Gabel – sie musste mit den Fingern essen. Und der Teller war aus Pappe. Während sie weiterhin einen Dirigenten im Musikrausch nachahmte, packte sie den Suppenteller und schleuderte ihn durchs Zimmer, ehe sie begann, falsch gegen die Musik anzusingen. Die Suppe hinterließ einen Fleck auf der Wand. Ihre Stimme war wieder da … Sie sang lauter.
    „Das reicht!“
    Er schaltete den Ton aus. Er starrte sie an. Streng. Er lächelte nicht mehr.
    „Du solltest aufhören, dieses Spiel mit mir zu treiben.“
    Dieses Mal war die Drohung unmissverständlich, und für einen Sekundenbruchteil überkam sie eine eisige Angst. Sie konnte die Wut in seiner Stimme hören. Und wie bei einem gut abgerichteten Hund versetzte sie der Zorn ihres Kerkermeisters in Angst und Schrecken. Fang dich wieder … Du bist auf dem richtigen Weg … Zum ersten Mal hatte sie Macht über ihn gewonnen – und sie kostete diesen Triumph kurz aus.
    „Friss deine Scheiße und krepier!“, sagte sie.
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    „Hör auf damit! Ich verabscheue diese Ausdrucksweise!“
    Sie grinste ihn hämisch an.
    „Oh! Oh! Du bist wirklich ein impotenter kleiner Blödmann, nicht wahr, mein Schatz? Du kriegst keinen mehr hoch … und Wörter wie ‚Schwanz‘, Möse‘, ‚Eier‘ nicht über die Lippen … Ich wette, deine Mutter hat immer an deinem Schniedel herumgespielt, als du klein warst. Hast du ein Problem mit unanständigen Wörtern und mit Frauen, mein Süßer? Bist du vielleicht eine heimliche Schwuchtel?“
    Sie sah, dass sie ihn verunsichert hatte. Sie hatte noch nie in ihrem Leben solche Ausdrücke benutzt, nicht einmal in ihren schlimmsten Wutanfällen, und sie sich noch nie derart vulgär ausgedrückt – sie ekelte sich förmlich vor sich selbst.
    „Du Miststück“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Du dreckige Nutte. Das wirst du mir büßen.“
    Er stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. Angst überkam sie. Dann Panik, als sie sah, was er in der Hand hielt. Eine Gabel … Sie lehnte sich zurück, das Lächeln erstarb langsam auf ihren Lippen. Wenn er in ihren Augen die Angst erkannte, wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, dann hätte er gewonnen.
    Als er nahe genug war, räusperte sie sich laut und spuckte in seine Richtung. Sie verfehlte sein Gesicht, traf aber sein Hemd. Er machte sich nicht einmal die Mühe, den Speichel wegzuwischen. Er starrte sie nur mit leerem Blick

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