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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Miete, wir verlangen ein Minimum“, „Die Schnauze voll von Kakerlaken“ oder „Studentenwerk = Saustall“. Es gab keinen Aufzug. Als sie nach oben gingen, bemerkten sie sehr schnell, dass die Spruchbänder ihre Berechtigung hatten: Die PVC-Deckenplatten lösten sich, die gelbe Wandfarbe blätterte ab, und auf der Tür zu den Duschen verkündete ein Schild: „Außer Betrieb“. Tatsächlich glaubte Servaz ein oder zwei Kakerlaken über den Boden huschen zu sehen. Die Kollegen vom Rauschgiftdezernat hatten ihnen eine Zimmernummer genannt. 211. Sie blieben davor stehen. Durch die Tür drang Musik. Sehr laut. Espérandieu klopfte und versuchte, mit einer möglichst jugendlichen Stimme zu sprechen:
    „Heisenberg, bist du da, Kumpel?“
    Die Musik verstummte. Sie warteten gute dreißig Sekunden, in denen sie sich fragten, ob Heisenberg nicht vielleicht durch das Fenster Reißaus genommen hatte, als die Tür aufging und eine schmächtige junge Frau in Top und Shorts zum Vorschein kam. Ihre Haare waren zerzaust, und ihr Blond war genauso unnatürlich wie die schwarzen Wurzeln. Ihre Arme waren so schmächtig, dass Knochen und Adern unter der gebräunten Haut hervortraten. Im Halbdunkel des fast vollständig heruntergelassenen Rollladens blinzelte sie, ihre hellen Augen musterten sie nacheinander.
    „Ist Heisenberg nicht da?“, fragte Vincent.
    „Wer seid ihr denn?“
    „Überraschung!“, stieß Vincent vergnügt hervor, während er seinen Dienstausweis zückte und die Blondine zur Seite stieß, um einzutreten.
    Die Wände waren fast vollständig mit Fotos, Postern, kleinen Plakaten und Prospekten bedeckt. Espérandieu erkannte auf den Fotos unter anderem Kurt Cobain, Bob Marley und Jimi Hendrix, die Idole der freiheitsliebenden jungen Leute, aber auch der Fixer – was ein verdammtes Paradox war. Schon bei seinen ersten Schritten im Zimmer fiel ihm der unverwechselbare Geruch auf, der in der Luft schwebte: THC, Tetrahydrocannabinol, in seiner am weitesten verbreiteten Form: Hasch.
    „Ist Heisenberg nicht da?“
    „Was wollt ihr von ihm?“
    „Das geht dich nichts an“, sagte Espérandieu. „Bist du seine Tussi?“
    Sie warf ihnen einen hasserfüllten Blick zu.
    „Was juckt das euch?“
    „Antworte.“
    „Verpisst euch.“
    „Wir gehen nicht, bevor wir mit ihm gesprochen haben.“
    „Ihr seid keine Drogenfahnder“, stellte sie fest.
    „Nein, Mordkommission.“
    „Ruft die Drogenfahnder an, ihr dürft Heisenberg nicht anrühren.“
    „Was weißt du schon? Ist er dein Freund?“
    Sie antwortete nicht, ihre hellen Augen funkelten zornig, als sie zwischen ihnen hin und her pendelten.
    „Also ich mach dann mal die Fliege“, sagte sie.
    Sie machte einen Schritt zur Tür, Espérandieu streckte den Arm aus und packte sie am Handgelenk. Wie eine Katze fuhr sie augenblicklich herum und schlug ihre Krallen in seinen Unterarm, bis er blutete.
    „Aua! Verdammt, sie hat mich gekratzt!“
    Aber er ließ nicht etwa los, sondern packte nun mit Gewalt ihr zweites Handgelenk und versuchte sie zu bändigen, während sie heftig um sich schlug.
    „Lass mich los, du Bullenarsch! Nimm deine Dreckspfoten von mir, du Scheißpolyp!“
    „Beruhigen Sie sich! Hören Sie auf oder wir lochen Sie ein!“
    „Das ist mir piepegal, Drecksack! Ihr dürft eine Frau nicht so misshandeln! Lasst mich los, verflucht!“
    Sie warf sich hin und her, zischte und spuckte wie ein tobendes Tier. Gerade als Servaz seinem Mitarbeiter zu Hilfe kommen wollte, schlug sie den Kopf heftig gegen die Wand.
    „Ihr habt mich geschlagen“, schrie sie mit einer Platzwunde auf der Stirn. „Ich blute! Hilfe! Ich werde vergewaltigt!“
    Espérandieu versuchte ihr mit der Hand den Mund zuzuhalten, damit sie nicht mehr schrie. Sonst würde sie sämtliche Bewohner aufschrecken, auch wenn das Gebäude wahrscheinlich zu drei Vierteln unbewohnt war. Sie biss ihn. Er taumelte, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen, und er wollte sie gerade ohrfeigen, als Servaz ihn am Handgelenk festhielt.
    „Nein.“
    Mit der anderen Hand hatte er die Tür verriegelt. Das Mädchen beruhigte sich ein bisschen, schätzte die Lage ein. Ihre tiefliegenden Augen blitzten hasserfüllt, während ihr klar wurde, dass sie in der Falle saß. Ihre Stirn blutete stark. Sie rieb sich die Handgelenke, an denen noch immer die roten Abdrücke von Espérandieus Fingern zu sehen waren.
    „Wir wollen nur mit Heisenberg reden“, sagte Servaz ruhig.
    Das Mädchen setzte sich auf den

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