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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Scheinwerfer zwischen den Bäumen: Da waren zwei Autos. Und zwei Gestalten im Alfa Romeo. Er war sich unschlüssig, wie er weiter vorgehen sollte. Konnte er näher herangehen, ohne sich zu verraten? Oder sollte er warten, bis die zweite Person ausstieg, um zu ihrem Wagen zu gehen? Immerhin war er ihnen gegenüber im Vorteil. Aus dem Fahrzeuginnern konnten sie vermutlich nur sehen, was im Scheinwerferlicht lag: nämlich die Steilwand, an der das grelle Licht genau eine der flachen Höhlen ausleuchtete.
    Wenn er sich durch den Wald heranschlich, blieb er unsichtbar. Problematisch waren eher die Geräusche, die er womöglich machen würde. Aber die beiden Personen waren ins Gespräch vertieft, und das Rauschen des Flusses würde ihn akustisch abschirmen. Er begann sich durch das Gestrüpp zu schlängeln, aber er kam sehr viel langsamer und beschwerlicher voran, als er gehofft hatte. Das Unterholz war so dicht und so dunkel, dass er die vielen Hindernisse nicht erkennen konnte, und ständig stieß er auf undurchdringliches Dickicht, das ihn zu großen Umwegen zwang. Mehrfach wäre er in der Dunkelheit wegen einer Unebenheit im Gelände oder eines Astes, der quer über seinem Weg lag, beinahe gestolpert. Niedriges Geäst zerkratzte ihm Wangen und Stirn, und sein Hemd verhakte sich mehrmals an Brombeerranken. Er blieb regelmäßig stehen. Beobachtete die beiden Gestalten im Wagen und ging dann weiter. Nach einer Zeit, die ihm sehr lange vorkam, gelangte er an ein unüberwindliches Hindernis. Ein Bach, der in der Finsternis praktisch unsichtbar war und wohl ein Stück weiter unten in den Fluss mündete. Servaz erahnte ihn nur, weil der Boden plötzlich jäh abfiel, keine Pflanzen mehr wuchsen und das Wasser gurgelte. Er zog einen Schuh und einen Strumpf aus, krempelte die Hose hoch und versuchte die Tiefe des Gewässers zu sondieren, aber sein Bein tauchte bis zum Knie im kalten Wasser ein, ohne dass er auf den Grund stieß. Die beiden Gestalten auf der anderen Seite waren nur noch wenige Meter entfernt, aber sie wandten ihm den Rücken zu. Er ging seitlich an dem Bach entlang, und er sah den Befahrer jetzt deutlicher. Oder vielmehr die Beifahrerin … eine Frau … langes Haar … Über die Farbe konnte er nichts sagen. Ebenso wenig konnte er von da, wo er sich befand, ihr Alter abschätzen.
    Plötzlich fiel ihm eine andere Lösung ein.
    Die Straße führte quer durch die Schlucht. Sie hatte zwei Ausgänge. Entweder war die Frau von der anderen Seite gekommen, oder aber sie war schon lange vor ihnen da gewesen. Servaz hätte auf das erste gewettet. Sie wollten nicht zusammen gesehen werden. Das Risiko konnte man eingehen … Er kehrte um, diesmal ohne sich darum zu scheren, wie laut er vielleicht war. Die Zeit drängte. Kaum an der Straße, begann er über Kies und Asphalt zu seinem Wagen zu laufen. Er merkte, dass er viel weniger weit weg war, als er auf dem Hinweg geglaubt hatte, aber als er sich ans Steuer setzte, war er trotzdem völlig außer Atem. Er ließ den Motor an und rollte im Leerlauf aus dem Waldweg, fuhr mit 30 Stundenkilometern über die Straße und gab dann jäh Vollgas, sobald er sicher war, dass man ihn aus dem Spider heraus nicht mehr hören konnte. Als er wieder an die Kreuzung gelangte, sah er einen Wagen, der mit ausgeschalteten Scheinwerfern, aber deutlich sichtbar unter den Bäumen parkte. Man konnte ihn unmöglich übersehen. Und er erkannte ihn sofort, hielt auf seiner Höhe und ließ die Scheibe herunter.
    „Was macht ihr denn hier?“
    Er sah, wie sich Pujol und sein Kollege aufrichteten.
    „Was glaubst du denn?“, regte sich der erste auf. „Schon vergessen?“
    Die Beschattung! Er hatte Pujol gebeten, ihm aus der Ferne zu folgen, für den Fall, dass Hirtmann auftauchen sollte. Das war ihm völlig entfallen!
    „Wir hatten gesagt ‚aus der Ferne‘!“
    „Genau das tun wir. Aber du fährst ständig kreuz und quer durch die Gegend!“
    „Nicht schlecht, die Nummer mit der Angelrute“, spöttelte Pujols Kollege im Dunkeln.
    Servaz dachte an Francis in der Schlucht – er konnte jeden Moment an ihnen vorbeifahren.
    „Fahrt zurück nach Toulouse! Verduftet von hier! Kommt mir heute Nacht bloß nicht mehr in die Quere!“
    Er sah die Wut in Pujols Augen, aber er hatte jetzt keine Zeit für ausführlichere Erklärungen. Er wartete, bis ihr Wagen verschwunden war, dann fuhr er weiter, bog an der nächsten Kreuzung links ab, und dann wieder links. Nach ungefähr zwei Kilometern fand er in der

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