Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
Sekunden später in der Diele das Licht anging, die Eingangstür geöffnet wurde und über den Hecken Francis‘ Kopf und Schultern zum Vorschein kamen. Das letzte Licht im Innern des Hauses erlosch. Van Acker kam heraus.
    Servaz duckte sich auf seinem Sitz, als er sah, wie Van Acker den abschüssigen Garten hinunterstieg, das Tor aufmachte und weniger als zwanzig Meter von seinem Auto entfernt auf den Gehsteig trat. Sein ehemaliger Freund ging zu seinem Wagen, einem roten Cabrio Alfa Romeo Spider, der etwas weiter weg parkte. Die Hand am Zündschlüssel, wartete er, bis Francis losgefahren war und das Ende der Straße erreicht hatte, ehe er den Motor anließ und vom Gehsteig ausscherte. Er sagte sich, dass es schwierig werden würde, Van Acker in der Dunkelheit unbemerkt zu folgen, falls der auf der Hut war. Aber als er das Tor hinter sich zuzog, schien er sich nicht dafür zu interessieren, was auf der Straße geschah: Er steuerte zielstrebig auf seinen Wagen zu, ohne sich umzusehen.
    Auch Servaz erreichte jetzt das Ende der Straße. Gerade noch rechtzeitig, um rechts die Rücklichter und den Blinker des Wagens zu sehen, der hundert Meter weiter gerade nach links abbog. Er trat aufs Gas, um in den kleinen Straßen von Marsac den Abstand zu verringern, und bog an derselben Stelle ab. Das Cabrio vor ihm fuhr durch die Rue du 4 Septembre bis zur Place Gambetta, die er in südöstlicher Richtung überquerte. Als Servaz an der Kirche vorbeifuhr, sah er einen Studenten, der sich im Schatten des Pfarrhauses übergab; zwei Kumpel erwarteten ihn lachend in der erhellten Tür einer Kneipe, mit einem Glas Bier in der Hand. Der Spider raste an den heruntergelassenen Metallrollläden in den Geschäftsstraßen vorbei, holperte über das Pflaster, fuhr um einen Brunnen herum und beschleunigte auf der Landstraße D 939. Er verließ die Stadt. Servaz fuhr hinterher. Der Vollmond leuchtete über den schwarzen, bewaldeten Hügeln. Nachdem sie lange schnurgerade verlaufen war, stieg die Straße an und begann sich durch den Wald zu schlängeln. Servaz hielt Abstand, und er verlor die beiden Rücklichter regelmäßig aus den Augen, bis er sie hinter den Kurven wieder erblickte. Sein Navi zeigte ihm an, dass die nächste Kreuzung vier Kilometer weit weg war, daher musste er nicht so dicht dranbleiben, aber Van Acker fuhr schnell, und er musste darauf achten, sich nicht allzu sehr abhängen zu lassen.
    Ganz offenkundig wollte Francis Van Acker die Leistung seines Boliden testen, er fuhr viel schneller als erlaubt. Über Regeln hatte sich Francis von jeher hinweggesetzt – außer denen, die er selbst aufstellte.
    Die Straße stieg und senkte sich in den Hügeln. Sie rasten so schnell, dass die Reifen des Jeeps in jeder Kurve Laub und kleine Kieselsteine hochschleuderten. Er dachte, dass man sie kilometerweit hören musste. Der Wald war dichter geworden, die Scheinwerfer strahlten ihn an. Ab und zu erblickte Servaz in den Lücken zwischen den Baumkronen den Vollmond, aber meistens war er vom Blätterdach verdeckt. Irgendwie hatte er die Form eines lächelnden Gesichts, das ihre Fahrt in den Hügeln mit Interesse verfolgte. Zwei- oder dreimal glaubte er in seinem Rückspiegel Scheinwerfer zu sehen – aber er konzentrierte sich auf das, was vor ihm passierte, nicht auf das, was sich hinter ihm tat.
    In einer Talsohle sah Servaz, wie der Spider etwa zweihundert Meter vor ihm links abbog und eine noch engere Straße nahm. Er fuhr ihm nach, und der schmale Weg begann sofort in Serpentinen anzusteigen. Sie durchquerten einen Weiler aus drei oder vier Bauernhöfen, die auf dem Gipfel der Kuppe saßen wie eine Reihe kariöser Zähne in einem verbogenen Kiefer. Er zwang sich, langsamer zu fahren, um sich nicht zu verraten. Hinter dem Weiler erkannte er zu beiden Seiten der Straße, die sich an die Gratlinie schmiegte, flüchtig schroff abfallende, eingefriedete Felder. An einer kleinen Kreuzung war er sich unschlüssig, welche Richtung er einschlagen sollte, bis er plötzlich links, schon recht weit weg, zwischen den Bäumen die Rücklichter sah. Wieder begann die Straße anzusteigen. Sie erreichte ein Plateau und führte an einem luftigen Hochwaldforst vorbei, dessen aufragende Stämme wie die Säulen einer Kathedrale oder einer überdimensionierten Moschee in regelmäßigen Abständen standen. Es waren Hunderte. Die Straße war von gefällten Baumstämmen gesäumt, die feinsäuberlich zu hohen Holzstößen geschichtet worden waren.
    Servaz wurde

Weitere Kostenlose Bücher