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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Science-Fiction-Film. Das undurchdringliche Visier warf ihm sein Spiegelbild zurück. Er sah seine weit aufgerissenen Augen. Dann hielt ihm die Erscheinung eine Dienstmarke vor die Augen, die ihm einen kalten Schauder über den Rücken jagte.
    „Ja, das bin ich“, antwortete er, und seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren schrecklich schuldbewusst.
    „Können wir reden?“
    Die Erscheinung setzte ihren Helm ab, und er entdeckte ein hübsches Gesicht, das von blondem Haar eingerahmt wurde. Aber der strenge Blick, den sie auf ihn richtete, beruhigte ihn nicht.
    „Hier?“
    „Bei Ihnen, wenn es Sie nicht stört. Leben Sie allein? In welchem Stock?“
    Er schluckte.
    „Im neunten.“
    „Gehen wir“, sagte Ziegler mit fester Stimme, während sie auf die Türen des Aufzugs deutete.
    In der heruntergekommenen Kabine blickte er starr vor sich hin. Ohne ein Wort oder einen Blick mit der Frau neben ihm zu wechseln. Sie schwieg ebenfalls. Aber er spürte, dass sie ihn nicht aus den Augen ließ. Mit jeder Sekunde wurde er nervöser. Er wusste, dass dieser Besuch in Verbindung mit dem stand, was er vor kurzem getan hatte. Er hätte den Auftrag ablehnen sollen. Von Anfang an hatte er gewusst, dass es eine schlechte Idee war, aber es gab kein Zurück mehr, und er hatte nicht den Mut gehabt, nein zu sagen.
    „Was wollen Sie von mir?“, nahm er sich schließlich ein Herz, als sie den Aufzug verließen. „Ich hab es eilig. Freunde erwarten mich, wir wollen das Spiel ansehen.“
    „Das werden Sie gleich erfahren. Sie haben eine große Dummheit gemacht, Monsieur Kanté. Eine gewaltige Dummheit. Aber noch ist vielleicht nicht alles verloren. Ich bin gekommen, um Ihnen eine Chance zu geben, noch einmal den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die einzige …“
    Er dachte über diese Äußerung nach, als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss.
    Eine Chance … Das Wort hallte in seinem Kopf wider.
     
    Wohin fuhren sie, verdammt? Elias und Margot hatten kurz geglaubt, sie steuerten ein Ziel im Westen an, aber dann hatten sie plötzlich den Kurs geändert und waren geradewegs Richtung Süden und Zentralpyrenäen gerast, auf die Grenze zwischen den beiden Departements Haute-Garonne und Hautes-Pyrénées zu. Sie hatten die Ebene und die Hügellandschaft verlassen und fuhren in ein Tal hinein, das mehrere Kilometer breit und bereits von hohen Bergen gesäumt war, auch wenn die imposantesten Gipfel der Gebirgskette noch vor ihnen lagen. Die Dörfer reihten sich im Tal wie die Perlen eines Rosenkranzes. Margot fragte sich, ob sie über kurz oder lang nicht doch entdeckt würden: Jetzt folgten sie dem Ford Fiesta schon gut hundert Kilometer.
    Aber das gewittrige Wetter und die zunehmende Dämmerung waren ein Vorteil für sie: Nichts sieht einem Paar Scheinwerfer im Rückspiegel ähnlicher als ein anderes Paar Scheinwerfer.
    Bleischwer lasteten Wolken auf dem Tal, und das Licht nahm einen ungewohnt grünlichen Ton an, der etwas Unheimliches hatte.
    Margot fand diese Landschaft schön, erhaben, tiefgründig und feindselig zugleich. Elias konzentrierte sich voll und ganz auf die Straße. Sie kamen durch ein Dorf, das am Zusammenfluss zweier schnell fließender Bäche lag; zwei gewaltige Brücken überspannten sie, und die Häuser schmiegten sich eng aneinander. An den Balkonen hingen ein paar französische Flaggen – und eine einzelne portugiesische. Die schroffen Bergspitzen am Ende des Tals, auf die sie sich zubewegten, bissen wie ein riesiges Maul in den Himmel. Immer mehr fragte sie sich, wo sie hinwollten. Falls sie ins Gebirge hineinfuhren, mussten sie denen, denen sie auf den Fersen waren, doch irgendwann auffallen. Bei diesem Wetter durften da oben nicht viele Autos unterwegs sein. Bei der kleinsten Serpentine würden David, Sarah und Virginie Elias‘ Saab unter sich entdecken.
    „Mann, wohin fahren die bloß?“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
    „Auf dieser Straße ist ja noch ein bisschen Verkehr. Aber wenn sie in eine noch kleinere abbiegen, können wir ihnen nicht mehr unbemerkt folgen.“
    Elias warf ihr einen beruhigenden Blick zu.
    „Fast alle Straßen, die aus diesem Tal hinausführen, sind Sackgassen. Wenn sie eine davon nehmen, lassen wir sie ein Stück vorausfahren und warten einen Moment, ehe wir ihnen folgen. Dann schöpfen sie keinen Verdacht.“
    Wie konnte er nur so gelassen bleiben? Er blufft, sagte sie sich. Er hat genauso eine Mordsangst wie ich, aber er markiert den starken Mann. Sie

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