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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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nervt“, sagte er, ehe er sich aufs Fahren konzentrierte. „Kennst du das Ballspiel, das die Römer Sphaeromachia nannten? Seneca erwähnt es in seinen Briefen an Lucilius .“
    „Das ist ein Schmetterling“, sagte sie.
    „Was?“
    „ Sphaeromachia gaumeri. Bist du sicher, dass sie nicht auf der Hut sind? Du vergisst, dass sie uns neulich abends im Irrgarten beinahe erwischt hätten – und dass sie wissen, dass man ihnen nachspioniert …“
    Er warf ihr einen süßsauren Blick zu, zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich auf die Straße.
     
    Servaz stieg die Treppen der Veranda hinunter. Die Luft wurde immer drückender. Er ging über die Lichtung. Der Cherokee stand etwas weiter weg. Kurz bevor er ihn erreichte, blieb sein Blick an etwas hängen. Ein weißer Fleck. Im Gebüsch links von ihm.
    Er änderte die Richtung und ging darauf zu. Schob das Gestrüpp zur Seite. Ein kleiner hellgrauer Karton am Ende eines Plastikstäbchens, die im Boden steckte. Irgendjemand – einer der Techniker vom Erkennungsdienst, die am Tatort Spuren gesichert hatten – hatte „Zigarettenstummel“ darauf geschrieben … Servaz runzelte die Stirn. Die Kippen waren wohl längst im Labor. Genauso wie die, die er hinter Claire Diemars Haus am Waldrand gefunden hatte … Dieselbe Person? Jemand hatte Claire kurz vor ihrem Tod nachspioniert. Hat dieselbe Person hier das Gleiche getan? Ein Zeuge? … Oder der Mörder? Wer war das? Was macht er hier? Woher wusste er davon? Die Menge der Kippen, die hinter Claires Haus gefunden worden waren, deutete darauf hin, dass dieser jemand viel Zeit an dieser Stelle verbracht hatte. Schon bald hätten sie seine DNA. Aber Servaz bezweifelte, dass sie in irgendeiner Kartei registriert war.
    Langsam ging er zum Jeep zurück. In der Ferne grollte noch immer der Donner, aber er schien nicht näher kommen zu wollen. Servaz dachte an ein Raubtier, an einen Tiger, der nachts um die Dörfer schlich und tief aus dem Wald sein Gebrüll hören ließ – ein Tiger, der auf den günstigsten Moment zum Angriff wartete. Langsam fuhr er bis zum Endes des Wegs, bog im dunkel verschatteten Wald links ab und rollte dann auf der langen, schnurgeraden Landstraße Richtung Marsac.
     
    Ziegler erinnerte sich mit einer gewissen Besorgnis daran, dass heute Abend Fußball war. Sie fragte sich plötzlich, ob Drissa Kanté den Abend nicht im „Escale“ vor dem Fernseher verbringen würde, wie es wahrscheinlich achtzig Prozent der Toulouser taten – oder, schlimmer noch: Ob er nicht ein paar Freunde in seine Wohnung einladen würde, um sich das Spiel anzusehen – aber sie sah, wie er aufstand, einige Hände schüttelte und allein wegging.
    Sie hatte ihr Getränk bereits bezahlt. Sie wartete eine Minute, ehe auch sie aufstand, um unter den abschätzigen Blicken der Gäste und Dealer den Platz zu überqueren und ihr Motorrad aus der Tiefgarage zu holen.
     
    Sie hatten die Stadt durchquert und fuhren jetzt Richtung Süden. Die Pyrenäen. Die Berge lagen unter dem Gewitterhimmel wie ein Riegel über dem gesamten Horizont hinter den Hügeln – wie ein europäischer Himalaja. Sie nahmen die kleinen kurvenreichen Landstraßen, kamen durch Dörfer, und Elias versuchte, Abstand zu halten, ohne sie jemals völlig aus dem Blick zu verlieren. Er hatte den Navi eingeschaltet, um im Voraus eine Übersicht über die Straßen und Kreuzungen zu haben. Als sich herausstellte, dass sie eher nach Südwesten als nach Süden steuerten, gab er als vorläufiges Ziel „Tarbes“ ein. So wie gestern Servaz ließ er sich zurückfallen, wenn ihm das Gerät anzeigte, dass erst in einigen Kilometern die nächste Kreuzung kam, und er beschleunigte, um Sichtkontakt zu halten, sobald sie sich einer Kreuzung näherten.
    Margot staunte über die Geschicklichkeit, die er sowohl beim Fahren als auch beim Beschatten unter Beweis stellte. Mit seiner Strähne, die die Hälfte seines Gesichts verdeckte, und mit seinem geistesabwesenden Gesichtsausdruck hatte sie ihn zu Beginn des Schuljahrs für einen sanften Träumer gehalten. Aber Elias überraschte sie immer wieder. Er hatte nie sehr viel über seine Familie, seine Geschwister erzählt (allerdings meinte sie verstanden zu haben, dass er wie Lucie eine ganze Reihe davon hatte), aber sie begann sich zu fragen, wie sich diese Findigkeit erklärte.
    Findigkeit war genau das richtige Wort … Wie damals, als er einen Schlüssel aus seiner Tasche gezogen und eine Tür geöffnet hatte, die er nicht

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