Kindertotenlied: Thriller (German Edition)
Spur, um allmählich in die des Sattelschleppers einzuschwenken, der in einer sehr flüssigen Bewegung, wie in einer Choreografie, näher kam …
„NEIN! NEIN! NEIN! TU DAS NICHT! TU DAS NICHT!“
Wieder Lichthupen. Das Trompeten der Hupe. Das metallische Quietschen des Kolosses, der schnaubend einen Ausweg suchte. Diesmal gab es keinen. Dem Laster blieb nicht genügend Zeit, um auszuscheren. Die beiden Fahrzeuge rasten aufeinander zu. Der Zusammenstoß war unvermeidlich. Hier also war der Weg zu Ende. Es stand geschrieben. Ende der Geschichte. In ein paar Sekunden … ein gewaltiger Aufprall, und dann nichts mehr. Das Nichts. Flüchtig sah Servaz links die Ausfahrt einer Raststätte zu ihrer Linken, die in ihre Richtung den Hügel hinunterführte.
„Wenn du uns umbringst, tötest du zwei Unschuldige! Hugo kann den Hals nicht mehr aus der Schlinge ziehen! Für ihn ist es gelaufen! Wer soll ihn im Gefängnis besuchen, wenn du nicht mehr da bist? Nach links! Nach LIIIIINKS!“
Er sah die vier grellen runden Augen, vier Schwerter aus Licht, die sich auf der Fahrbahn spiegelten, auf sie zustürzen. Er schloss die Augen. Streckte die Arme und legte in einem absurden Reflex die Hände auf das Armaturenbrett.
Erwartete den schrecklichen Aufprall.
Spürte, dass sie plötzlich nach links abbogen … Er machte die Augen wieder auf.
Sie hatten die Autobahn verlassen! Sie fuhren mit Vollgas die Auffahrt hinauf.
Servaz sah, wie unter ihnen der riesige Sattelschlepper vorbeidonnerte. Gerettet! Dann zuckte er zusammen, als er ein Auto sah, das von oben aus der Raststätte kam. David riss das Steuer herum, sie fuhren holpernd eine Wiese hinauf und wichen so dem Auto mit vier zu Tode erschrockenen Insassen aus, rissen mehrere Zweige aus einer der niedrigen Hecken und schossen auf den fast leeren Parkplatz. Da hinten leuchteten die Lichter der Tankstelle. David stieg voll auf die Bremse. Der Wagen brach seitlich aus, die Reifen quietschten.
Sie standen.
Servaz schnallte sich ab, öffnete die Tür und stürzte nach draußen, um sich zu übergeben.
Der Tod würde fortan ein Gesicht haben, das wusste er. Das Gesicht eines großen Sattelschleppers, einer Stoßstange und von vier Scheinwerfern in einer Reihe. Er wusste es, so wie er wusste, dass er dieses Bild nie vergessen würde. Und dass er jedesmal Angst hätte, wenn er als Beifahrer in ein Auto stieg.
Er rang nach Luft und trank die feuchte Nacht in langen Zügen, schmeckte den warmen Regen auf seiner Zunge. Seine Brust hob sich, seine Beine zitterten. In seinen Ohren summte es wie von einem Bienenschwarm. Er ging langsam um das Fahrzeug herum und sah David an einen Hinterreifen gelehnt auf dem Boden sitzen. Er raufte sich das blonde Haar, verzog das Gesicht und schluchzte, während er auf den Boden starrte. Servaz kniete sich vor ihm hin und legte dem jungen Mann die Hände auf die Schultern, deren Zittern er durch den Krankenpflegerkittel spürte.
„Ich werde mein Versprechen halten“, sagte er. „Man wird dir helfen. Beantworte mir nur eine Frage: Hast du die CD von Mahler in Claire Diemars Stereoanlage geschoben?“
Er fing Davids verständnislosen Blick auf, schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: „Ist auch egal“, drückte die Schulter des jungen Mannes und stand auf. Er nahm sein Telefon und ging ein paar Schritte weiter. Er war sich durchaus bewusst, was für einen Anblick er bieten musste, in dem Klinikkittel, der ihm klatschnass am Körper klebte, mit seinen Fingern, die seit diesem desaströsen Tauchgang völlig zerkratzt waren, seinem Gesicht, das noch die Spuren des Verbandes trug, den er heruntergerissen hatte.
„Verflixt nochmal, was sollte dieser Anruf gerade? Und warum hast du nicht abgehoben?“
Vincent. Er schien in panischer Angst zu sein. Servaz wurde bewusst, dass sein Apparat mehrmals vibriert haben musste, dass er in diesem tödlichen Strudel nichts davon mitbekommen hatte. Aber diese Stimme tat ihm gut.
„Ich erkläre es dir nachher. Aber hol jetzt bitte den Richter aus dem Bett. Er muss die Freilassung von Hugo annullieren. Und wir brauchen eine richterliche Anordnung, damit wir ihn noch heute Abend im Gefängnis vernehmen können. Ruf Sartet an.“
„Aber du weißt genau, dass er niemals einverstanden sein wird. Das ist rechtswidrig. Gegen Hugo läuft ein Ermittlungsverfahren.“
„Außer wir vernehmen ihn zu einem anderen Fall“, sagte Servaz.
„Was?“
Er erläuterte ihm seine Idee.
„Tu, was ich dir sage. Ich
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