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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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große Café, um una caña und einen carajillo de cognac zu bestellen. Er stützte sich mit den Ellbogen auf die Theke und beobachtete die rituellen Gesten des Barkeepers, der gerade Puderzucker in ein kleines Glas schüttete, zwei Kaffeebohnen, eine Zitronenschale, eine Maßeinheit Brandy hinzufügte und diese Mischung unter der Dampfdüse der Kaffeemaschine zum Kochen brachte, ehe er sie mit seinem Feuerzeug entzündete und den schwarzen Kaffee darüber laufen ließ. Servaz bewunderte das Ritual und kniff die Augen zusammen, und sein absolut ernster Gesichtsausdruck verriet das ganze Ausmaß seiner Trunkenheit.
    Als er mit seinem glühend heißen Glas auf einem kleinen Teller wieder herauskam, war Pedro immer noch da. Mit seinen Nachbarn spielte er lautstark zum zehnten Mal das Spiel durch. Servaz trat an seinen Stuhl und verfehlte ihn, als er sich darauf fallen lassen wollte. Der heiße Kaffee und der Brandy verteilten sich auf seinem Hemd, und auf dem Boden liegend lachte er schallend auf, ohne die Blicke von den anderen Tischen zu bemerken.
    „Das reicht“, sagte Pedro. „Es ist Zeit, zu gehen.“
    Er hob den Polizisten unter den Achseln hoch und schleppte ihn mit sich durch die angrenzenden Gässchen. Er war kleiner als er, aber stärker. Servaz stützte sich auf seine Schulter. Er hob den Kopf zu der sternenklaren Nacht über den Dächern, einer Nacht wie ein Gedicht von García Lorca. Er hatte seinen ganzen Urlaub, seine Überstunden, sämtliche Tage auf seinem „Arbeitszeitkonto“ genommen, und niemand bei der Kripo hatte nach den Ereignissen etwas daran auszusetzen gehabt. Kurz vor seinem Urlaubsantritt waren Sarah Lillenfeld und Virginie Croze sowie einige andere Mitglieder des Kreises in Untersuchungshaft genommen worden. Die Ermittlungen nahmen ihren Lauf – aber von nun an ohne ihn. Er hatte seinen Koffer gepackt und Ziegler besucht, die nach dem Angriff zehn Tage lang krankgeschrieben worden war und dann abermals vor dem Disziplinarausschuss der Gendarmerie erscheinen musste. Er fragte sich, welche Sanktion diesmal über sie verhängt würde. Er wusste, dass Irène kurz davor stand, ihr Entlassungsgesuch einzureichen, und diese Aussicht betrübte ihn. Sie hatte ihm auch gesagt, dass sie in das Computernetz des Gefängnisses eingedrungen war, in dem Lisa Ferney einsaß, und dass Lisa ihr Lockvogel war: Seltsamerweise war sie sich sicher, dass der Schweizer und sie eines Tages Kontakt miteinander aufnehmen würden. Dann war er weitergefahren und hatte in diesem kleinen Dorf jenseits der Pyrenäen in Hocharagonien, Provinz Huesca, Zuflucht gefunden. Vier Fahrstunden von Toulouse. Ein Ort mitten im Nirgendwo, eine Region von atemberaubender Schönheit, einsame Straßen, auf denen einem nie ein Auto entgegenkam. Hier würde ihn niemand suchen. Hier kannte ihn keiner. Hier war el Francès. Außer Pedro und ein paar andere, mit denen er zwar erst seit zwei Wochen näheren Umgang hatte, die aber er trotzdem unverfrorenerweise als seine Freunde ansah. Pedro blieb alle drei Meter stehen – mit Servaz, der sich auf ihn stützte -, um Spaniens Sieg mit praktisch allen Einwohnern des Dorfes zu feiern. Vor einigen Tagen hatte ihn der Direktor angerufen: Sie hatten die undichte Stelle entdeckt, die Informationen an die Presse weitergegeben hatte. Es hatte keine gegeben. Jedenfalls nicht bei der Polizei. Sie hatten sich noch einmal den Chef des Cybercafés vorgeknöpft – Servaz erinnerte sich an „Patrick“, den Typen mit den kalten, trotzigen kleinen Augen hinter seiner Brille -, und Patrick hatte zugegeben, dass er gleich, nachdem sie weg waren, die Presse angerufen hatte. Aufgrund der Beschreibung hatte offenbar der Journalist selbst geahnt, dass es sich um Servaz handeln musste. Als ihm Patrick sagte, die Polizei hätte eine E-Mail erhalten, die von einem Cybercafé verschickt worden sei, gesucht werde ein großgewachsener Mann mit leichtem Akzent, und anscheinend seien alle ziemlich nervös, war dem Reporter sofort der aufsehenerregendste Kriminalfall der letzten Jahre eingefallen.
    „Du hast Glück“, sagte Servaz mit belegter Stimme, während sie Arm in Arm weitergingen.
    „Warum?“
    „Dass du hier lebst.“
    Pedro zuckte mit den Schultern. Sie traten durch die Tür des hostal und gingen durch den Gang bis zum Innenhof. Weiße Mauern und Galerien aus lackiertem Holz, die auf den einzelnen Etagen rund um den Innenhof führten und mit Grünpflanzen und alten Möbeln geschmückt waren. Es duftete

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