Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Deshalb haben wir uns geschworen: nie mehr mit Singles.«
Kordula setzte sich zu den Männern und trank ihren Tee. Dabei schmatzte sie zufrieden.
»Was trinken wir hier eigentlich Leckeres?«, fragte Oliver, der bereits den dritten Löffel Honig in seinen Becher rührte.
»Schafgarbe«, informierte ihn Kordula. »Mir zerreißt es immer fast den Unterleib, wenn ich meine Regel kriege. Schafgarbe beruhigt.«
Oliver hörte auf zu rühren und verschloss das Honigglas.
»Wie lange seid ihr beiden zusammen?«, fragte Kordula.
»Sechs Jahre, zwei Monate und elf Tage.« Oliver legte seinem Freund zärtlich die Hand in den Nacken und kraulte ihn. Niklas trug sein Haar recht kurz, obwohl sein Freund seit Jahren bettelte, er möge es wachsen lassen. Oliver litt an und vor allem unter Haarausfall, den er mit Tabletten aus einem Algenextrakt aufzuhalten und mit Baseballkappen in allen Farben des Regenbogens zu kaschieren versuchte, und forderte mehr Phantasie von Niklas – das sei er seinem starken Haarwuchs schuldig. Aber dem mangelte es nicht an Ideen: Ab einer Länge von zwei Zentimetern begann sein Haar sich zu kräuseln und war nicht zu bändigen. Und Niklas hasste Dinge, die sich nicht bändigen ließen.
»Dann habt ihr also das verflixte siebente Jahr noch vor euch.«
Kordula lächelte, als hätte das Paar den wichtigsten Test schon bestanden. Doch die Prüfung hatte gerade erst begonnen. Ob in ihren Familien Erbkrankheiten bekannt waren? Konnte einer von ihnen musische Begabungen vorweisen? Und wie verhielt es sich mit den monatlichen Einkünften?
Die Männer schienen alles zu Kordulas Zufriedenheit beantwortet zu haben, Niklas konnte vor allem bei der letzten Frage punkten. Doch dann schnitt Kordula ein scheinbar nebensächliches Thema an.
»Und wo wohnt ihr in Düsseldorf?«
»Niklas hat eine Wohnung in Oberkassel, und ich lebe in Köln.«
Kordulas Lächeln wurde rissig. »Ihr wohnt getrennt?«
»Sonst hätten wir es nicht auf sechs Jahre gebracht«, erklärte Niklas.
»Ganz zu schweigen von den zwei Monaten und den elf Tagen«, witzelte Oliver, aber diesmal lächelte Kordula nicht.
»Mein Mann braucht viel Zeit für sich«, erklärte er.
Niklas nahm Olivers Hand und biss hinein. Es war seine Art zu sagen: Und du hast ungern Zeit für dich, weil du dich nicht selbst beschäftigen kannst.
»Aua, Nikki!«, machte Oliver, ohne seine Hand wegzuziehen.
Dann biss Niklas nochmal, zärtlicher, um zu sagen: Und nenn mich nicht immer Nikki. Ich bin schließlich kein bayrisches Cowgirl.
»Und warum willst du dann Kinder haben?«, fragte Kordula, unbeeindruckt vom Zirkus der Männer. »Zeit für dich hast du dann keine mehr.«
Niklas war nicht gekommen, um sich belehren zu lassen, erst recht nicht von Menschen mit hellgelb gewischten Wänden. Ihm lag eine Bemerkung auf der Zunge, aber Oliver zuliebe hielt er sich zurück.
»Ich stelle mir unser Projekt jedenfalls nicht so vor, dass ihr die Kinder nur am Wochenende holt und sich darauf unser Kontakt beschränkt«, fuhr Kordula fort. »Dafür stelle ich meine Eierstöcke nicht zur Verfügung.«
Herausfordernd musterte sie Niklas, als spürte sie, wie sein Widerstand immer stärker anwuchs.
»Andi und ich wünschen uns eine große Familie. Wir wollen mit den Vätern gemeinsame Sachen unternehmen, Wandern in der Eifel oder mal eine schöne Radtour.«
»Warum nicht«, sagte Oliver.
Kordulas Vorschlag und vor allem die leichtfertige Reaktion seines Freundes schockierten Niklas so sehr, dass ihm der Schornstein umknickte. Er steckte ihn schnell wieder auf die Lok, um keinen Ärger mit Andi zu bekommen, die eben mit einem kleinen verschlafenen Bündel in die Küche zurückkehrte.
»Du hältst es schief!« Sie drückte dem verdutzten Oliver das Kind in die Hand und drapierte geschickt ein Spucktuch über seiner Schulter. Dann verscheuchte sie Niklas von seinem Platz. Offenbar vertraute sie ihr Kind ohne weiteres fremden Männern an; um die blöde Spielzeuglok aber kümmerte sie sich lieber selbst.
»Hallo, du kleine Maus!« Oliver wandte sich mit kindlichem Singsang an das Baby und schien plötzlich einen größeren Stimmumfang zu haben als Mariah Carey. »Haben wir dich geweckt?«
»Du kannst ganz normal mit ihr sprechen«, sagte Andi, ohne von ihrer Bastelarbeit aufzuschauen.
»Ich habe aber gelesen, dass man mit höheren Tönen am besten das Gehirn von Babys erreicht.« Oliver zog für Martha eine kleine Show mit seinen albernsten Grimassen ab, und die
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