Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Kleine dankte es ihm mit einem strahlenden Lächeln.
»Marthas Gehirn sicher nicht.« Kordula nahm ihm das Kind ab, das nun wieder anfing zu weinen. »So was ist sie nicht gewohnt.«
Oliver zog eine letzte Grimasse, die nur Niklas sehen konnte. Den beschlich das dumpfe Gefühl, dass der Abend nicht ganz so reibungslos verlief, wie sein Freund es sich gewünscht hätte.
»Habt ihr schon über die Befruchtung gesprochen?«, schaltete sich Andi wieder ein und erklärte den verdutzten Männern, dass sie bei der kleinen Martha gute Erfahrung mit der Bechermethode gemacht hätten.
Oliver starrte angewidert auf seinen Teebecher.
»Hier legt wohl niemand gesteigerten Wert darauf, dass wir zusammen in die Kiste steigen«, erklärte Kordula, und Niklas war zum ersten Mal an diesem Abend ganz ihrer Meinung.
»Die Methode funktioniert in der Regel gleich beim ersten Versuch«, erklärte Andi, die weiter an der Lok herumfummelte. »Wir Lesben sind ja ziemlich fruchtbar.«
Und Kordula ergänzte: »Da wir nicht mit Männern pennen, sind wir weniger anfällig für Geschlechtskrankheiten, die uns die Fruchtbarkeit versauen.«
Niklas, der etwas unbeholfen neben dem Tisch stand, konnte sich nun nicht mehr beherrschen. Es ging ihm auf die Nerven, wie sich die Frauen selber als Mutterwunder anpriesen.
»Also, meine Bilanz an nicht gehabten Geschlechtskrankheiten kann sich durchaus auch sehen lassen.«
»Sie wohnen getrennt«, klärte Kordula ihre Freundin in einem Tonfall auf, als sei es für Paare schlimmer, zwei Haushalte zu haben, als die Syphilis.
»Also vögelt ihr rum wie alle anderen auch«, schloss Andi.
Niklas ignorierte die mahnenden Blicke seines Freundes. »Tun wir nicht.«
»Ihr wäret die Ersten«, sagte Andi, die sich nicht gern ihre vorgefassten Meinungen madig machen ließ.
Niklas hatte keine Lust, sich weitere Dreistigkeiten anzuhören, und beschloss, dem Abend ein Ende zu bereiten.
»Da fällt mir ein«, sagte er mit Blick auf die Küchenuhr, »in einer halben Stunde beginnt meine Monogamie-Selbsthilfegruppe. Ich fürchte, wir müssen los.«
Oliver, der sich sichtlich unwohl fühlte und beim Wortgefecht zwischen Andi und Niklas immer stiller geworden war, trank seinen Tee mit zwei großen Zügen leer und verabschiedete sich mit dem für Castings unerlässlichen Satz: »Wir melden uns dann.«
Schweigend verließen die Männer das Haus. Ihr Atem zeichnete sich in der kalten Luft ab, und Niklas schlug den Kragen seines Mantels hoch.
»Schafgarbe«, sagte Oliver düster. »Wie ekelhaft!«
»Hast du Unterleibsschmerzen?«, versuchte Niklas seinen Freund aufzuheitern.
»Nein!«
»Na bitte!«
Oliver war nicht nach Scherzen zumute, und so setzte er sich ins Auto. Die Scheiben waren zugefroren, und Niklas musste kratzen. Durch ein erstes kleines Guckloch beobachtete er, wie sein Freund einen Flunsch zog und Kordula und Andi von der Liste strich.
Nun war nur noch eine einzige Bewerberin übrig.
Es war kurz nach ihrem fünften Jahrestag, als Oliver plötzlich mit dem Thema Kinder anfing. Sie hatten ein befreundetes Pärchen in Berlin besucht, das im schicken Prenzlauer Berg wohnte. Dort hatten sich so viele Familien niedergelassen, dass Kinderdentisten und Kinderyogalehrer ihr Auskommen hatten. Uwe und seinem Freund Kareem ging der ständige Anblick schwangerer Frauen und das schrille Kindergeschrei, das der Wind von den umliegenden Spielplätzen auf ihre Dachterrasse trug, schon länger auf die Nerven, doch seit in ihrer Straße das dritte Geschäft für Babymoden eröffnet hatte, spielten sie ernsthaft mit dem Gedanken, den Kiez zu wechseln. Niklas äußerte ein gewisses Verständnis für ihre Umzugspläne, doch Oliver hatte sich infiziert. Auf dem Rückflug schmiegte er sich an seinen Freund und fragte: »Warum haben wir eigentlich keine Kinder, Nikki?«
Der hatte es zunächst für einen seiner Tricks gehalten. Denn wenn es nach Oliver gegangen wäre, würden sie schon längst zusammenwohnen, und da Niklas alle diesbezüglichen Vorschläge ablehnte, war Oliver erfinderisch geworden. Mal rechnete er seinem Freund vor, wie viel Geld sie sparen könnten, wenn sie endlich zusammenzögen, und um wie viel weniger sie die Umwelt belasteten, wenn das lästige Hin- und Herfahren wegfiele und dass sie häufiger in die Sonne fliegen konnten, wegen der wegfallenden zweiten Miete und des eingesparten CO 2 sowieso. Dann waren im vorvergangenen Winter die Rohre in seiner Wohnung zugefroren, und er musste ein paar
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