Kindsköpfe: Roman (German Edition)
die bis auf eine Ausnahme von lesbischen Paaren stammten, bekam Niklas Angst. Frauen aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens hatten sich gemeldet, die mit den beiden eine Familie gründen wollten. Glücklicherweise fand es selbst Oliver schwer, die Richtigen zu finden. Manche Paare wollten direkt wissen, was für sie bei der Sache herausspränge, andere wohnten selbst für eine Wochenendvaterschaft zu weit weg. Angelika und ihre Freundin wiederum hatten den Männern einen romantischen Empfang mit Räucherstäbchen und brennenden Kerzen bereitet, um gleich zur Tat schreiten zu können, da Urte ihre fruchtbaren Tage hatte. Auf der Flucht vor den Frauen hatte Oliver sein Handy verloren, wie er später im Auto feststellen musste, aber Niklas hatte sich strikt geweigert, umzukehren.
Dass es nun auch beim letzten Paar nicht geklappt hatte, schmerzte Oliver, und er schob seinem Freund den schwarzen Peter zu, weil der sich von Kordula und Andi hatte provozieren lassen. Niklas empfahl ihm daraufhin beleidigt, die letzte verbliebene Bewerberin auf der Liste alleine zu treffen. Was sie an wenigen Informationen über sie hatten, reichte ihm ohnehin schon: Eva war eine Schauspielerin aus Köln, die in ihrer Freizeit Passanten am Dom mit Gratis-Umarmungen beglückte.
Dazu kam, dass er momentan bis über beide Ohren in einer Kampagne für ein Mittel gegen nächtlichen Harndrang steckte. Er versuchte, sich dem Thema humorvoll zu nähern, indem er einen alten Roland-Kaiser-Schlager bemühte: Ich glaub, es geht schon wieder los . Leider hatte sich die Plattenfirma auf seine schriftliche Anfrage hin noch nicht geäußert. Niklas wollte gerade zum Hörer greifen, um die Sache in einem persönlichen Gespräch zu klären, da bekam er eine SMS von Oliver.
»Bin jetzt unterwegs wollte mich nur nochmal beschweren dass du mich allein zu dieser braut gehen lässt.«
Plötzlich geriet Niklas’ Magen in Aufruhr. Sein Freund würde sich nicht nur mit einer ›Braut‹ treffen, sondern vor allem mit der potenziellen Mutter seines ersten Kindes. Was mochte das für überwunden geglaubte Instinkte und Gelüste bei ihm auslösen! Bei allem Negativen, das man über Kordula und Andi sagen konnte: Ihr überaus hygienischer Vorschlag zur Bechermethode hatte Niklas gut gefallen, doch nun stellte er sich Oliver und Eva vor, wie sie direkt zur Tat schritten. Mit den sporadischen Jungsabenteuern seines Freundes hatte er umzugehen gelernt, aber mit einem Mal drohte Gefahr an einer ganz neuen Front. Zumal von einer Frau, die mit ihrem Körper nicht sonderlich zurückhaltend umging und sich unter dem Deckmantel der Nächstenliebe wildfremden Leuten an den Hals warf.
Panisch rief Niklas seine Schwester Inken an, die er wie immer zu Hause vor dem Fernseher antraf, als ob es alleinerziehenden Müttern verboten sei, auszugehen oder sich zu amüsieren.
»Oli vergöttert dich. Alle sehen das, nur du nicht.« Inken machte sich nicht die Mühe, ihre Eifersucht zu kaschieren. Ihr letzter Freund, ein knapp 20 Jahre älterer Bauunternehmer, hatte sich mit der Ankündigung aus ihrem Leben verabschiedet, eine Frau mit weniger anstrengenden Kindern suchen zu wollen. Seither hatte Niklas das Gefühl, sich für jeden Tag entschuldigen zu müssen, den seine Beziehung die seiner Schwester überdauerte.
»Es geht hier nicht um Liebe oder Treue, sondern um Fortpflanzung«, erklärte er ruhig. »Da kann Oliver mich lange vergöttern, ich werde bloß nicht schwanger davon.«
»Wieso wollt ihr überhaupt Kinder haben?«
Niklas fragte sich, was mit den Frauen los war. Warum taten neuerdings alle so, als handle es sich um einen Fall fortgeschrittenen Schwachsinns, wenn sich jemand Kinder wünschte?
»Oliver mag Kinder.«
»Und du?«
»Ich mag Oliver.«
»Glaubt bloß nicht den Humbug, den alle Leute erzählen, dass Kinder einem so viel zu geben haben!« Inken lachte verächtlich. »Nicht dass ich sie nicht von Herzen lieben würde, aber sie sind die reinsten Energiefresser.«
Sie hatte eine siebenjährige Tochter und einen Sohn, der noch in den Kindergarten ging. Niklas genoss die Zeit, die er gelegentlich mit Lotte und Hannes verbrachte, aber als Vollzeitbeschäftigung – das war eine ganz andere Geschichte. Bei allem Verständnis für Inkens Situation missfiel es ihm, dass sie abends, wenn die Kinder im Bett waren, mit dem Kiffen anfing. Sein alter Freund Mattis besorgte ihr das Zeug, und wenn Niklas versuchte, ihnen ins Gewissen zu reden, wurde er auf all die
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