Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Maki. So wie die Männer, weil die ja auch keine Brust haben.«
»Jetzt warten wir mal ab, wie die Operation verläuft, und abgesehen davon würde ich nicht alles glauben, was Maki sagt.«
Ihr Onkel bediente sich an Lottes kalten Pommes frites. Der Cappuccino, den er vor fünf Minuten gekauft hatte, war immer noch so heiß, dass man ihn nicht trinken konnte. Niklas war hundemüde und drängte die Kinder, ihre Menüs aufzuessen.
Eine der Frauen vom Nachbartisch lehnte sich herüber und fragte: »Na, kommen eure Frauen später?«
»Nein.«
Sie zwinkerte ihm zu. »Mädelsabend, wie?«
»Bei uns ist jeden Tag Mädelsabend.« Oliver zog Niklas zu sich herüber und küsste ihn auf den Mund. Die Frauen kicherten blöd, aber wenigstens ließen sie sie in Ruhe.
Niklas bemerkte eine Gruppe von Skinheads, die das Restaurant betraten, und rückte ein wenig von Oliver ab. Doch auch Lotte hatte die Männer gesehen. Sie fuhr ihren kleinen Zeigefinger aus und brüllte quer durch den Laden: »Haben die Männer mit der Glatze auch Krebs?«
»Ja, im Kopf, ganz schlimm«, sagte Oliver, und Niklas drohte der Kleinen, ihren Finger abzubeißen, wenn sie noch einmal auf andere Leute zeigte.
»Was ist Trets?« Hannes pulte die einzige Gurkenscheibe von seinem Hamburger.
»Es heißt Krebs«, sagte Niklas und unterdrückte ein Gähnen. »Und jetzt iss bitte, sonst wird dein Burger kalt.«
Oliver grinste vor sich hin.
»Muss man sterben, wenn man Krebs hat?« Lotte behielt die Skins genau im Auge und lutschte das Salz von einem frittierten Pommes-Stängel.
»Was sagt denn Maki zu dem Thema?«, fragte Oliver, wurde aber von einem Fußtritt unter dem Tisch zum Schweigen gebracht.
»Wenn man nichts dagegen tut, stirbt man vielleicht. Aber eure Mutter wird ja morgen operiert, dann ist sie bald wieder gesund«, sagte Niklas und hoffte inständig, dass das keine Lüge war. Glücklicherweise schien Lotte mit der Antwort zufrieden zu sein, denn sie stellte keine weiteren unangenehmen Fragen und hörte auch auf, die Skinheads anzustarren.
Nachdem sie die Kinder abgeschminkt und ins Bett gebracht hatten, ließ sich Niklas ein Bad einlaufen. Darauf hatte er sich schon den ganzen Tag gefreut. Er verriegelte die Tür, um ungestört zu sein, und stieg langsam in das dampfend heiße Wasser. Seine Schultern waren verspannt, sein Rücken tat weh, aber immerhin hatte es in seinem Kopf zu hämmern aufgehört. Er schloss die Augen und streckte sich aus.
»Nikki?« Es klopfte an der Tür.
Niklas tat so, als hätte er nichts gehört, und hoffte, Oliver würde ihn in Ruhe lassen. Doch den Gefallen tat sein Freund ihm nicht.
»Eva hat heute angerufen.«
»Schön.«
»Sie lässt ausrichten, dass sie die Pille abgesetzt hat. Von ihr aus kann’s losgehen.«
»Oliver, ich bade gerade.«
»Freust du dich nicht, dass wir Eva gefunden haben?«
Niklas holte Luft und ging auf Tauchstation.
Mitten in der Nacht wachte er auf; seine Schläfen schmerzten, als läge er in einem Schraubstock. Vorsichtig schob er Olivers Arm zur Seite und verließ das Bett. Die alte Kuckucksuhr im Flur, ein Erbstück seiner Großmutter Fanni, zeigte auf halb vier. Er schlich zum Gästezimmer, wo die Kinder schliefen. Mattis war zu Inken umgezogen, solange sie im Krankenhaus lag, damit Niklas und Oliver ungestört Familie spielen konnten. Langsam wurde es Zeit, dass sich sein alter Freund um eine eigene Bleibe bemühte.
Die Tür stand halb offen, damit vom Flur Licht hineinfiel. Das hatte Inken sich und den Kindern nach Wolframs Abgang so angewöhnt. Im Dunkeln fürchteten sie sich vor dem Einschlafen. Hannes’ Atem war deutlich zu hören, es klang wie ein leichtes Schnarchen. Der Arzt hatte schon angekündigt, dass er dem Kleinen an die Polypen wollte. Um die Atemzüge seiner Schwester auszumachen, brauchte es etwas Geduld, so leise war ihr Schlaf. Ein Lichtstrahl fiel in ihr kleines friedliches Gesicht. Nur der starre Blick von Luzie, ihrer Lieblingspuppe, schien zu fragen, was Niklas mitten in der Nacht hier verloren hatte.
Niklas ging aufs Klo, dann huschte er über den kalten Parkettboden in die Küche. Während er Kaffee kochte, sah er hinaus in die Nacht. Die altmodischen gusseisernen Laternen tauchten die leere Straße in ein gelbliches Dämmerlicht. Bei Pino war es schon dunkel. Oberkassel schlief tief und fest. Der Karnevalsmob tobte in sicherer Entfernung in der Altstadt auf der anderen Rheinseite.
Er fuhr seinen Laptop hoch, um am nächtlichen Harndrang zu
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