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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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schlägt mich auch immer‹, antwortet Mäxchen. Der Richter weiß nicht weiter und sagt: ›Na, was machen wir denn dann mit dir?‹ Mäxchen: ›Ich will zum 1. FC Köln! Die schlagen nämlich niemanden!‹«
    Er lachte sich halb tot, und Niklas fürchtete, sein Freund würde noch Inken aufwecken. Also dankte er dem giggelnden Mattis für seine Dienste und schickte ihn nach Hause.
    Erschöpft ließ sich Niklas auf den Stuhl am Rande des Bettes fallen und streichelte Inkens Arm. Es war fast dunkel im Zimmer. Die Müdigkeit machte sich in seinem Körper breit, aber er zwang sich, wach zu bleiben.
    Am anderen Ufer des Rheins sprangen die 132 roten Lämpchen am Fernsehturm, die nach Stunden, Minuten und Sekunden in drei Reihen unterteilt waren, auf 19 Uhr 22 um. Es war die weltgrößte Uhr mit Dezimalzeitskala, die den Zeittakt von der Atomuhr in Braunschweig erhielt, wie er von Inken wusste. Man konnte sie nachts aufwecken und nach Entstehungsjahr, Bauzeit und Höhe des Turms fragen und bekam auf alles eine exakte Antwort, bis zur dritten Stelle hinter dem Komma.
    Den Fernsehturm hatten sie aus dem Zimmer ihrer Wohnung sehen können, als sie frisch nach Düsseldorf gezogen waren. In den ersten Nächten konnte Inken vor Heimweh nicht schlafen, und Niklas hatte sich den Vater zurückgesehnt, der es immer verstanden hatte, die Kinder aufzuheitern. Wenn eines von ihnen traurig gewesen war, hatte er seinen Zeigefinger unter dessen Kinn gelegt und so langsam wieder den Kopf aufgerichtet mit den Worten: »Nicht zu Boden schauen! Sonst fallen all die bösen Gedanken nach vorne!«
    Stattdessen erfand Niklas die Geschichte, dass die roten Lämpchen verschlüsselte Botschaften an Marsmenschen aussandten, damit die mit ihren Ufos nicht aus Versehen im Rhein landeten und jämmerlich ertrinken mussten. Dieses Märchen aber hielt Inken erst recht wach, weil sie nun nachts am Fenster saß und auf die Außerirdischen wartete.
    Erst Jahre später war Inken von einem Mitschüler, der sie beeindrucken wollte, über das Geheimnis der roten Lichter aufgeklärt worden. Daraufhin hatte sie jedes Detail über den Fernsehturm und in der Folge auch über Düsseldorf in Erfahrung gebracht und sich Stück für Stück die Stadt, die sie vom ersten Tag an gehasst hatte, untertan gemacht.
    Als ein Schrei ihn aus dem Schlaf riss, wusste Niklas zunächst nicht, wo er sich befand. Dann entdeckte er Inken, die unruhig ihren Kopf hin und her warf. Ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie etwas sagen. Vorsichtig nahm er ihre Hand und schaltete die Nachttischlampe an. Seine Schwester schwitzte stark. Die Haare klebten an ihrem Kopf, und das Kissen, auf dem sie lag, war klatschnass. Er wischte ihr den Schweiß von der Stirn, doch plötzlich begann sie wieder zu schreien. Er rief ihren Namen und fasste sie an der Schulter, um sie wachzurütteln. Aber die bösen Geister ihres Traums wollten sie nicht freigeben.
    Die Neonröhren an der Decke setzten sich mit einem dumpfen Surren in Gang und warfen ihr grelles Licht auf das Zimmer.
    »Was ist passiert?« Schwester Erika war durch Inkens Schreie aufmerksam geworden.
    »Ein Albtraum«, sagte Niklas und drückte wieder Inkens Hand.
    Resolut schob ihn die Schwester beiseite und versetzte Inken ein paar leichte Ohrfeigen. Bis die endlich die Augen öffnete, einen Spalt nur, und sich orientierungslos umschaute. Dann fing sie an zu weinen.
    »Ihr dürft sie mir nicht wegnehmen«, schluchzte sie.
    »Du hast geträumt, mein Schatz. Es ist alles gut.«
    Schwester Erika ging zum Fenster und schob die Gardine beiseite, um die frische Abendluft hineinzulassen. Dann zog sie ihre schwarze Strickjacke aus und warf sie auf einen Stuhl.
    »Ich hole ihr etwas zur Beruhigung«, verkündete sie.
    »Keine Spritze«, sagte Inken matt und drückte die Hand ihres Bruders. »Ich will nicht mehr schlafen.«
    »Wie Sie wollen. Haben Sie Schmerzen?«, fragte die Schwester und überprüfte die Infusion. Inken antwortete nicht.
    Niklas bedankte sich bei Erika und bat sie, beim Rausgehen das Deckenlicht zu löschen. Schweigend saßen die Geschwister eine Weile nebeneinander und hielten Händchen. Der Fernsehturm zählte die Sekunden.
    Nach einer Weile griff Inken nach den Zipfeln ihrer Bettdecke und zog sie sich über den Kopf.
    »Soll ich das Fenster schließen? Ist dir kalt?«, fragte Niklas, ahnte dann aber, dass seine Schwester etwas anderes bezweckte: Sie wollte das Ergebnis ihrer Operation begutachten.
    »Inken?«, sagte er. Und da sie

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