Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Zeit daran gewöhnt, dass ihr Niklas sein Bett lieber mit einem Mann teilte, und die Tatsache, dass es seit Jahren auch bei dem einen geblieben war, hatte die Sache sehr vereinfacht. Dass die beiden nicht zusammenwohnten und offenbar auch nicht heiraten wollten, ging sie nichts an, und wenn sie ehrlich war, konnte sie auf die Erfahrung verzichten, bei einer Männerhochzeit als Brautmutter aufzutreten oder gar ein Kleid für ihren Sohn aussuchen zu müssen. Aber da er nie vom Heiraten sprach, war Ehrlichkeit ohnehin nicht vonnöten.
Sie hatte sich auch damit abgefunden, dass Niklas ihr keine Enkelkinder schenken würde, aber das hatte dann ja Inken übernommen, und dass sich die beiden Männer nun als Väter gerierten, erschien Magda Tiedemann geradezu anmaßend.
»Du kannst die Kinder nicht einfach zu dir nehmen«, belehrte sie ihren Sohn, als sie sich ein paar Wochen nach Inkens Tod zur Wohnungsauflösung in Niederkassel trafen. »Wolfram ist immer noch ihr Vater, auch wenn dir das nicht gefällt.«
Sie standen im Schlafzimmer und räumten den Kleiderschrank aus. Pullover und Hosen, Blusen und Kleider wurden zusammengelegt und in getrennte blaue Müllbeutel verstaut. Sie sollten der Altkleidersammlung übergeben werden.
»Er würde sie wahrscheinlich nicht mal erkennen, wenn er ihnen zufällig auf der Straße begegnet. Und du willst ihn noch belohnen!«
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Wolfram nicht mal erfahren, dass Inken gestorben war. Um keine schlafenden Hunde zu wecken, hatte Niklas für ein kleines unauffälliges Begräbnis gesorgt. Doch dann war Oliver die Todesannonce aufgefallen, die Frau Tiedemann in die Zeitung gesetzt hatte. Glücklicherweise schlief Wolfram, dieser Hund, immer noch tief und fest.
»Es geht nicht darum, was ich will.« Penibel legte seine Mutter die Bluse zusammen, die Inken bei Hannes’ Taufe getragen hatte. »Er ist ihr Vater.«
»Das hat ihn in den letzten Jahren auch nicht weiter belastet.« Niklas konnte es nicht fassen, wie seine Mutter der eigenen Tochter in den Rücken fiel, kaum dass sie unter der Erde lag. Mochte sie sich selbst nach über fünfundzwanzig Jahren nicht dazu überwinden, ihre Ehe offiziell für beendet erklären zu lassen – Inken hatte mit der Scheidung einen Entschluss getroffen. Und den gedachte er zu respektieren.
Oliver erschien in der Tür, Niklas hatte ihn mit dem Ausräumen des Kinderzimmers beauftragt, im Arm trug er einen plüschigen Pinguin mit Kulleraugen.
»Wer streitet denn hier schon wieder?!«, sagte er mit verstellter Stimme und hielt ihnen das alberne Stofftier vor die Nase.
»Meine Mutter traut uns nicht zu, für zwei kleine Kinder zu sorgen«, teilte Niklas dem Pinguin mit und stopfte aus Versehen einen Pullover in einen der Kleidersäcke, der für die Hosen vorgesehen war.
»Das habe ich nicht gesagt«, wehrte sich seine Mutter und holte den Pulli wieder hervor. »Ihr seid erwachsene Männer. Ihr solltet wissen, dass das nicht gutgeht. Die Leute vom Jugendamt können jeden Tag vor der Tür stehen.«
Oliver und der dumme Pinguin sahen Niklas fragend an. Doch vor dem Jugendamt hatte er keine Angst, er fühlte sich im Recht.
»Warum rufst du sie nicht einfach an? Langsam habe ich das Gefühl, dass du es nicht erwarten kannst!«
Seine Mutter wurde blass und verließ das Zimmer.
»Und jetzt sollten wir weiterarbeiten«, sagte Niklas und legte das Stofftier auf Inkens Kommode. »Frau Metternich kann nicht ewig auf die Kinder aufpassen.«
»Jawohl, Herr Direktor.«
In der Nacht kam Niklas nicht zur Ruhe. Sobald er die Augen schloss, erschien ihm das Bild seiner Schwester: Inken saß im Krankenhausnachthemd auf dem Fenstersims und streckte die Hand nach ihm aus, doch sobald er sich ihr näherte, sprang sie. Er schaltete seine Lampe wieder an und begann in einem der Ratgeber zu lesen, die Oliver gekauft hatte. Nach einer Weile ging auch auf der anderen Seite des Bettes das Licht an.
»Liest du das etwa wegen deiner Mutter?«
»Wer hat denn die ganzen klugen Bücher gekauft?« Niklas tat so, als läse er weiter. Oliver nahm ihm das Buch weg und klappte es zu.
»Vergiss, was deine Mutter gesagt hat! Die spinnt doch!«
»Das sag ich ihr.«
»Kannst du ruhig machen! Ich bin ja eh ihr Lieblingsschwiegersohn.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte Niklas.
Oliver setzte sich auf. »Was ist dein Problem?«
»Ich brauche dringend Schokoladenpudding.«
Sie zogen sich an und schlichen auf Zehenspitzen in die Küche, um
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