Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Mettmann!« Frau Tiedemann war schon im Nachthemd und führte ihn in die Küche. »Wie du aussiehst!«
»Du solltest mal Oliver sehen.«
Zur Antwort knallte sie ihm eine kalte Kompresse auf sein geschwollenes Auge.
»Aua!«
»Wer streiten kann, muss auch aushalten können.«
Die klugen Sprüche seiner Mutter waren das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Inken hätte ihn verstanden.
»Ich habe nie gesagt, dass es einfach ist, mit mir zusammen zu sein. Aber ich zwinge ja auch niemanden. Du weißt schon, das, was man zu deiner Zeit heiraten nannte.«
»Lass gut sein, Niklas.«
Sie verließ die Küche, und da Niklas annahm, dass sie ins angrenzende Wohnzimmer gegangen war, folgte er ihr nach einer Weile, doch dort war sie nicht. Dafür entdeckte er ein Bild von Inken, das neuerdings neben der Nähmaschine stand; das Gleiche trug Lotte in ihrer Brusttasche. Er griff nach dem Foto und lehnte sich ans Nähtischchen seiner Mutter.
»Weißt du eigentlich, wie einfach ihr Frauen es habt, wenn ihr ein Kind kriegen wollt?«, rief er. »Sperma gibt’s an jeder Straßenecke, wenn man es braucht.«
Er stellte das Bild zurück und lauschte in die Stille der Wohnung.
»Mutter?«
Niklas machte sich auf die Suche. Es kam ihm merkwürdig vor, dass sie nicht antwortete. Der Rest der Wohnung lag im Finsteren; die Kinderfotos im Flur waren nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Im Schlafzimmer endlich fand er sie; seine Mutter war ins Bett gegangen. Er schloss die Tür hinter sich und fuhr nach Hause.
Es war beinahe Mitternacht. Oliver lag mit Dosenbier in der Badewanne, vertieft in ein Fitness-Magazin. Auf dem Wannenrand glomm eine Zigarette im Aschenbecher, es war nicht die erste. Niklas hasste es, wenn sein Freund in der Wohnung rauchte, aber er wollte keinen neuen Streit anfangen.
»Wie geht’s?«
»Ich hab’s überlebt … «
»Hm.«
»Und selber?«
»Weiß ich noch nicht.«
Auf dem Toilettendeckel stand ein Sixpack, der bereits auf ein Threepack reduziert war. Die übrigen Dosen und eine leere Zigarettenschachtel lagen zusammengeknickt auf dem Boden verstreut. Wortlos öffnete Niklas ein Bier und setzte sich aufs Klo.
»Der Makler hat angerufen«, sagte Oliver hinter dem Muskelmann, der den Titel seiner Zeitschrift zierte.
»Scheiße, den habe ich in der Aufregung total vergessen.«
»Macht nichts.« Oliver nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette. »Ich hab ihm gesagt, dass sich das mit dem Haus erledigt hat.«
»Du hast was?«
Zum ersten Mal, seit sie sprachen, ließ Oliver die Zeitschrift sinken. Dahinter wurde ein leicht geschwollenes Auge sichtbar, über der Oberlippe klebte ein breites Pflaster. Ohne eine Miene zu verziehen, verschwand er wieder hinter seinem Magazin.
Seine Feindseligkeit verschlug Niklas die Sprache. Dass Oliver die Kinder kampflos ihrem Vater und der Neandertalerin überlassen wollte, machte ihn wütend. Er sprang auf und warf die offene Bierdose ins Wasser.
Er holte LaFee aus dem Auto und zog sich ins Kinderzimmer zurück. Dann drehte er die Lautstärke von Lottes CD-Player bis zum Anschlag auf.
Als ihn die Türklingel am nächsten Morgen weckte, wusste Niklas zunächst nicht, wo er war. Dann stellte er fest, dass er in Lottes Bett lag. Er lief am Schlafzimmer vorbei, doch Oliver war nicht da. Beim Blick durch den Spion traf ihn fast der Schlag: Mit einem selbstzufriedenen Lächeln stand da die Neandertalerin und rieb an ihrem Kettenanhänger.
Eilig riss Niklas die Tür auf, halb aus Wut, halb in der Erwartung, sie brächte die Kinder zurück, die zappelnd unterhalb des beschränkten Radius des Spions darauf warteten, endlich eingelassen zu werden. Doch Wolframs Frau kam allein.
»Guten Morgen, Niklas. Ich … « Petra unterbrach sich, als sie die Wunde an seinem Auge entdeckte. »Was ist denn da passiert?«
Sie streckte die Hand aus, um die Braue zu berühren, doch er trat einen Schritt zurück. »Was wollen Sie?«
»Hast du mal auf die Uhr gesehen?« Petra lachte, als hätte Niklas einen Witz gerissen. »Ich habe die Kinder zur Schule gebracht, und ich dachte, ich komme bei der Gelegenheit gleich vorbei, um ein paar Sachen abzuholen, die sie dringend brauchen. Wo finde ich Lottes Ranzen?«
Niklas verstand nicht, was sie wollte, und während er noch ins Treppenhaus starrte, als spielten Lotte und Hannes Verstecken hinter dem Aufzugschacht und warteten nur auf ein Signal, um sich zu zeigen, marschierte Petra schon zielstrebig ins Kinderzimmer.
»Hast du vielleicht
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