Kindsköpfe: Roman (German Edition)
wissen überhaupt nichts!«
Schweigend saßen die Männer im Auto, jeder war in seinen eigenen Gedanken gefangen. Oliver hatte sich eine Zigarette angesteckt, vergaß jedoch daran zu ziehen. Der Scheibenwischer quälte sich hin und her. Es hatte wieder zu regnen begonnen. Der April wirkte noch nach, obwohl seine Zeit seit ein paar Tagen abgelaufen war.
»Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte Oliver nach einer Weile.
Niklas antwortete nicht und starrte stur geradeaus. Seine Kiefer arbeiteten wie wild, als sei er dabei, den Anwalt zu zermalmen. Dann passierten sie das Hinweisschild: Mettmann 15 km .
»Nik, wir haben immer noch Eva.«
Niklas stellte das Radio an, doch Oliver drehte den Ton leise.
»Du mochtest sie doch auch!«
»Das ist nicht dein Ernst!«
Ohne zu blinken, fuhr Niklas rechts ran. Hinter ihm wurde aufgebracht gehupt.
»Ich kann nicht glauben, dass du so schnell aufgibst!« Niklas stieg aus und lief ein paar Schritte die Straße entlang. Oliver warf seine Zigarette fort und folgte ihm.
»Du hast gehört, was der Anwalt gesagt hat.«
»Der Anwalt war ein Idiot!«
Sie schrien sich über den Lärm der vorbeifahrenden Autos an, und der feine Nieselregen sickerte langsam in die Fasern ihrer Kleidung.
»Er war betrunken und parteiisch, Oliver!«
»Sei nicht hysterisch!«
»Ach, hat er dir vielleicht gefallen?«
»Du spinnst ja!«
Damit war der Punkt gekommen, an dem ihnen die Argumente ausgingen und sie auf alte Auseinandersetzungen zurückgriffen, die sie leider nie zu Ende geführt hatten.
»Die ganze Aufregung wäre nicht nötig, wenn Lotte nicht auf die Leiter gestiegen wäre, um diese saublöde Tafel runterzuholen.«
»Ohne diese saublöde Tafel würdest du heute noch mit deinen Witzchen versuchen, das Kind zur Vernunft zu bringen.«
»Mit dir habe ich es mir jedenfalls längst abgewöhnt, vernünftig zu reden. Seit wir uns kennen, kriege ich einen Tritt nach dem anderen. Vom ersten Tag an.« Wütend trat Oliver in die Luft.
»Es hat dich ja damals nicht abgeschreckt. Offenbar brauchst du das hin und wieder.«
»Ohne die Kinder würden wir doch immer noch getrennt wohnen!«
»Ach?!« Niklas, der auf dem Seitenstreifen weitergelaufen war, wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht und machte kehrt. »Und warum bin ich wohl bei dir geblieben, obwohl du seit Jahren andere Männer vögelst?«
Oliver war inzwischen blass vor Wut. »Du hast Angst, niemanden mehr zu finden, der bereit ist, deine Macken zu ertragen.«
Bevor Niklas wusste, was er tat, flog ihm die Hand davon, und das Echo ließ nicht lange auf sich warten. Nach einem kurzen Schlagabtausch landete eine Faust in seinem Magen und nahm ihm die Luft zum Atmen. Er sackte in die Knie. Es war das erste Mal, dass sie sich prügelten. Sie warfen sich auf den Boden und rollten in den Straßengraben, wo Niklas zu einem weiteren Schlag ausholte, aber Oliver rappelte sich auf und rannte los. Immer weiter, bis ihn der dichte Regen verschluckte.
Niklas setzte sich ins Auto und startete den CD -Player.
»Bitte geh endlich weg, denn es hat keinen Zweck. Nochmal verarschst du mich nicht«, sang LaFee.
Niklas hatte keine Ahnung, wie Lotte ihre CD ins Auto schmuggeln konnte, aber er ließ sie geduldig weiterlaufen, während er seine Fahrt nach Mettmann fortsetzte. Sollte Oliver doch im Morast versinken!
Der Regen ließ langsam nach, als er die Stadtgrenze erreichte. Abgesehen davon, dass Steinbrucharbeiter dort in der Mitte des 19. Jahrhunderts Überreste des Neandertalers gefunden hatten, war Mettmann nicht eben reich gesegnet mit Attraktionen. In der Dämmerung wirkte die Stadt besonders trostlos.
Vor einem mattgelben Zweifamilienhaus endete seine Fahrt. Wettergegerbte, vormals rote Betonplatten teilten den ordentlich gestutzten Vorgartenrasen in zwei ungleich große Hälften. In der Einfahrt stand ein alter Polo mit Jesus-lebt-Aufkleber. An den Fenstern der oberen Etage hingen halbe Gardinen, die die ganze Spießigkeit der Bewohner verrieten. Dahinter zeichnete sich die Silhouette von Petra ab, die in der Wohnung auf und ab ging. Ab und zu bückte sie sich, um mit den Kindern zu reden, wie Niklas vermutete.
Er wollte aussteigen, doch ein Blick in den Spiegel hielt ihn zurück. Sein linkes Auge war zugeschwollen, und aus seiner Nase tropfte immer noch Blut. So konnte er nicht vor die Kinder treten.
Erschöpft fuhr er nach Düsseldorf zurück und landete am späten Abend vor dem Haus seiner Mutter.
»Sag nicht, du warst in
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