Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Gejammer, weil ihr Lieblingspulli in der Wäsche war. Kein Hannes da, der rebellierte, weil er früher ins Bett musste als seine Schwester, und gerne Hunger vorschob, um sich fünf wertvolle Minuten zu ergaunern.
Am Sonntag wurde die Stille von einem Anruf seiner Mutter unterbrochen. Niklas, der die Nächte neuerdings in Lottes Bett verbrachte, torkelte benommen ins Wohnzimmer, wo er seinen Freund entdeckte. Er schlief auf dem Sofa und ließ sich vom Klingeln des Telefons nicht stören.
»Hallo, Niklas«, dröhnte es aus dem Hörer.
»Morgen.«
»Ich bin’s, deine Mutter.« Ihre Stimme war ein einziger Vorwurf.
»Ja, ich erinnere mich dunkel.«
»Erinnerst du dich auch, was für ein Tag heute ist?«
Niklas ging mit dem Telefon und seiner Mutter in die Küche, um Oliver nicht zu wecken.
»Sonntag?«
»Muttertag.«
»Glückwunsch.«
»Danke.«
Niklas machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Da er nun einmal wach war, lohnte es sich nicht mehr, ins Bett zu gehen.
»Noch was?«
Frau Tiedemann holte tief Luft. »Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.«
Dann reichte sie den Hörer weiter, und zu seiner großen Freude hörte Niklas die Stimme von Lotte. Sie plauderte munter drauflos und erzählte, dass sie mit Hannes das Wochenende bei ihrer Großmutter verbrachte. Bevor diese einschreiten konnte, hatte das Kind die Männer bereits zum Mittagessen eingeladen. Überglücklich legte er auf und schlüpfte voller neu entfachter Energie in seine Joggingsachen.
Sein Weg führte ihn zuerst zum Heiligenhäuschen, einer kleinen Kapelle kurz vorm Rhein, wo er eine Kerze für Inken anzündete. Dann lief er weiter zum Fluss und ließ das Haus mit Turmfortsatz links liegen. Sosehr Niklas sich auf das Wiedersehen mit den Kindern freute, so sehr ärgerte es ihn, wie es zustande gekommen war. War er nun von der Kooperationsbereitschaft seiner Mutter oder der Neandertalerin abhängig, wenn er die Kinder sehen wollte? Warum hatte er sich nur von Petra einschüchtern lassen?
Bei seiner Rückkehr versuchte er Oliver zu wecken. Doch sein Freund ignorierte ihn. Selbst als Niklas behauptete, Köln sei in der Nacht von einer plötzlichen Sturmflut heimgesucht und dem Erdboden gleichgemacht worden, erntete er kaum mehr als ein verschlafenes Seufzen. Erst als Niklas eine halbe Stunde später frisch rasiert aus dem Bad kam, schlug Oliver die Augen auf. Er quittierte die Essenseinladung mit einem Gähnen und begann sich anzuziehen. Es überraschte Niklas, dass sein Freund mitkommen wollte. Seit ihrem Streit hatten sie nicht viel geredet. Die Stimmung war immer noch gereizt, die Verletzungen nicht vollends verheilt.
Lotte, die den Männern ohne Krücken entgegenhumpelte, fiel Oliver stürmisch um den Hals und bestimmte, dass er beim Essen neben ihr und Luzie der Zweiten zu sitzen hätte. Hannes bereitete ihnen einen etwas zurückhaltenderen Empfang; er spielte mit seinem Piratenschiff in der Ecke des Wohnzimmers, aus der er sich erst locken ließ, als er die Schokolade entdeckte, die die beiden mitgebracht hatten.
»Petra sagt, Süßigkeiten sind nicht gut für unsere Zähne«, klärte Lotte Niklas auf.
»Da hat sie recht«, sagte ihre Großmutter und nahm den Kindern die Schokolade wieder ab. »Und vor dem Essen sind sie nicht gut für den Appetit. Alle Mann Hände waschen!«
Lotte schien aus irgendeinem Grund nicht gehen zu wollen. Sie betrachtete ihren Onkel eingehend, dann schaute sie länger zu Oliver und schließlich wieder zu Niklas.
»Das war keine Wand, oder?«
»Das?« Oliver deutete auf seine Unterlippe. Dabei warf er Niklas einen unsicheren Blick zu, als wollte er sich rückversichern, was sie den Kindern erzählen sollten.
»Ist beim Rasieren passiert«, sagte Niklas.
Lotte ließ nicht locker und deutete auf ihre linke Augenbraue, als wäre sie Niklas’ Spiegelbild. »Hier oben?«
»Ich wollte helfen und bin abgerutscht«, kam ihm Oliver zu Hilfe. »Ich bin aber auch manchmal echt blöd.«
»Ich habe doch was von Händewaschen gesagt, oder?«, mahnte Frau Tiedemann.
Erleichtert begleitete Niklas die Kleine ins Badezimmer, um ungestört mit ihr sprechen zu können. »Es ist ganz schön langweilig zu Hause ohne euch.«
Sie sah ihn mit großen Augen an.
»Dafür kann ich deine LaFee-CD inzwischen auswendig.«
Das Kind kicherte. »Vermisst du uns ein bisschen?«
Niklas spürte, wie sein Herz schwer wurde. Er strich Lotte übers Haar und drückte sie für einen Moment fest an sich.
»Petra sagt, das
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