Kindspech: Tannenbergs achter Fall
Anstaltsleiterin so lange keine Ruhe, bis sie die tatsächliche Anwesenheit Weinholds hatte überprüfen lassen.
Diese Rückmeldungen lösten bei Tannenberg durchaus zwiespältige Gefühle aus: Einerseits verspürte er Erleichterung, andererseits war er aber auch frustriert darüber, dass er nun diese heißen Kandidaten von seiner Liste streichen musste. Nachdenklich lehnte er sich in seinem Bürosessel zurück, atmete tief durch und schloss die Augen.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel erschien urplötzlich Hannes Bild auf seiner inneren Leinwand. Betroffen musste er sich eingestehen, dass er zum ersten Mal seit den dramatischen Ereignissen an sie dachte. An dem Morgen, an dem Emma entführt wurde, hatte sie schon in aller Frühe sein Bett verlassen, um mit ihren Brüdern nach Norddeutschland zu einer Pferdeauktion zu fahren.
Warum hat sie sich denn noch nicht bei mir gemeldet?, fragte er sich. Lass diesen sentimentalen Quatsch, du musst dich jetzt völlig auf Emma konzentrieren!, mahnte seine innere Stimme. Es geht nur um sie, um sonst nichts!
Tannenberg folgte ausnahmsweise einmal seinem psychischen Korrektiv und begab sich in den neben seinem Büro gelegenen Raum. Als er das Dienstzimmer betrat, tippte Sabrina gerade einen Namen in eine Suchmaske ein, während ihr Ehemann telefonierte. Tannenberg hatte ihm die Recherchen nach Dr. Croissant und Professor Le Fuet deshalb übertragen, weil er als Interpol-Verbindungsbeamter sehr gut Französisch sprach und auch über die entsprechenden Kontakte verfügte.
Der athletische Kommissar redete gestenreich auf seinen Gesprächspartner ein. Als er seinen Chef entdeckte, rollte er die Augen und blies die Backen auf. Er hielt die Hand auf die Hörmuschel und seufzte: »Das ist vielleicht ein Akt, bis die mal in die Gänge kommen. Oui, oui, mon ami, j’ai compris – merci beaucoup.« Genervt legte er auf.
»Also, Wolf, nach langem Hin und Her steht fest: Dieser Organmafia-Professor sitzt in Marseille ein.« Aus Tannenbergs skeptischem Mienenspiel schlussfolgerte Schauß die gerade auf der Zunge seines Chefs liegende Frage und beantwortete sie sogleich. »Ja, Wolf, die Kollegen haben’s gerade überprüft: Er ist dort – und er war auch die letzten Tage über dort.« Kopfschüttelnd stieß er Luft durch die Nase. »Die Franzosen haben gedacht, ich hab sie nicht mehr alle, als ich sie gebeten habe, die Sache doch bitte vor Ort zu überprüfen.«
»Mir ist absolut schnuppe, was die Kollegen über uns denken«, blaffte Tannenberg. »Was ist mit Croissant? Hast du auch schon was über ihn erfahren können?«
»Nein, Wolf, da kümmere ich mich aber jetzt sofort drum.«
»Gut«, entgegnete Tannenberg und setzte sich zu Sabrina an den Computer.
»Ich bin an diesen Walther-Brüdern dran, Wolf. Paul war ja damals der Haupttäter, der auf der Gartenschau …«
Ihr Vorgesetzter signalisierte ihr mit einer ungeduldigen Geste, dass sie sich nicht weiter mit Nebensächlichkeiten aufhalten solle.
»Dieser Paul Walther verbüßt in der JVA Zweibrücken eine lebenslange Haftstrafe.« Um dem möglichen Einwurf ihres Chefs zuvorzukommen, schob sie eilig nach: »Vor fünf Minuten hat er in der JVA-Küche Kartoffeln geschält.«
»Und sein Bruder?«
»Den such ich gerade in der Datenbank.«
Kaum hatte sie dies ausgesprochen, tauchte schon die gesuchte Information auf dem Bildschirm auf. Sie las vor: »Peter Walther – und so weiter – verurteilt zu drei Jahren Haft auf Bewährung wegen …«
»Das heißt, der Kerl befindet sich zurzeit auf freiem Fuß«, warf Tannenberg dazwischen. »Dann hätten wir ja schon mal einen, der frei herumläuft. Sein aktueller Wohnsitz?«
Sabrinas Finger huschten über die Tastatur. »Da steht’s: Herzog-von-Weimar-Straße 63«, rief sie aus.
»Ruhe!«, schimpfte ihr Mann. »Die Verbindung ist schon schlecht genug.« Dann palaverte er auf Französisch weiter, hörte geduldig zu, stellte eine Frage nach Dr. Croissant, wartete, während er mit gelangweiltem Blick an die Decke starrte.
Plötzlich richtete er seinen Oberkörper kerzengerade aus. »Merci beaucoup, merci beaucoup«, bedankte er sich heftig nickend und knallte den Hörer auf. »Ihr werdet es nicht glauben, aber unser lieber Dr. Croissant ist vor etwa vier Wochen in einer spektakulären Aktion bei einem Gefangenentransport befreit worden. Es gab drei Tote, allesamt Polizisten. Die haben sie mit MP-Salven einfach niedergemetzelt.«
»Damit hätten wir schon mal zwei Kandidaten, die
Weitere Kostenlose Bücher