Kindspech: Tannenbergs achter Fall
den Kreis der Verdächtigen enorm ein«, bemerkte Tannenberg nickend. »Wenn es sich tatsächlich um einen Racheakt handelt, muss es eine Verbindung von mir zu diesem durchgeknallten Psychopathen geben. Und den müssen wir so schnell wie möglich finden.« Er nahm die Liste, die Dr. Schönthaler vor etwa einer Stunde erstellt hatte, von seinem Schreibtisch und schrieb die darauf befindlichen Namen an die Tafel. »Das muss einer sein, den ich irgendwann mal eingebuchtet habe. Vielleicht einer von denen hier.«
»Da fehlt aber doch einer«, wandte Sabrina ein.
»Und welcher?«
»Na, dieser Irre, der die ermordeten Männer an der Jammerhalde abgelegt hat«, erklärte die junge Kommissarin. Bereits eine Sekunde später korrigierte sie sich. »Blödsinn, der war ja damals bereits todkrank und ist inzwischen bestimmt schon gestorben.«
»So ist es«, bemerkte Dr. Schönthaler lapidar.
Nach diesem Einwurf teilte der Kommissariatsleiter jedem seiner Mitarbeiter einen oder mehrere der aufgelisteten Straftäter zu und beauftragte sie, deren aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln.
»So, dann mal ran an die Arbeit, Leute«, beendete der Kommissariatsleiter die kurze Dienstbesprechung.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Chef«, hörte er plötzlich Petra Flockerzies wohlbekannte Stimme. Sie schob gerade ihren korpulenten Körper durch den Türrahmen. »Zwar nachträglich, aber immerhin. Ich hab Ihren Lieblingskuchen gebacken«, plapperte sie munter weiter: »Erdbeertorte! Die fünf brennenden Kerzen stehen natürlich jeweils für zehn Ihrer Lebensjahre.«
Erst jetzt registrierte sie die versteinerten Mienen um sich herum. »Was ist denn hier los? Ist etwa der Herr Oberstaatsanwalt gestorben?«, versuchte sie einen Kalauer zu landen.
»Nein, Flocke, unsere kleine Emma ist entführt worden«, sagte Tannenberg. Um nicht von seinen Emotionen übermannt zu werden, wandte er sich geschwind an seine junge Mitarbeiterin: »Sabrina, bring Flocke bitte auf den aktuellen Stand der Dinge. Und dann los an die Arbeit. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Klar, Wolf, mach ich«, bekundete sie nickend.
Das Telefon läutete. Petra Flockerzie war derart beseelt von Mitgefühl, dass sie erschrocken zusammenfuhr und einen Moment lang handlungsunfähig war. Doch dann hob sie routinemäßig den Hörer ab, meldete sich mit belegter Stimme und übergab ihrem Chef den Hörer. Es handelte sich bei dem Anrufer um August Krehbiel. Er teilte Tannenberg mit, dass er sich in seiner Firma dezent umgehört habe, sich dort aber niemand an eine Person erinnern könne, die sich in letzter Zeit auffällig benommen habe. Auch das Gespräch mit dem Personalleiter seines Unternehmens hätte keinerlei Hinweise auf irgendeinen Mitarbeiter ergeben, der möglicherweise aufgrund einer Entlassung hätte überreagieren können.
Der Leiter des K 1 bedankte sich artig für die Recherchen. Dann legte er auf und zog sich in sein Büro zurück. Dr. Schönthaler dagegen begab sich in den Keller des Gebäudes, wo sich das Labor der Kriminaltechnik befand.
Zuerst kümmerte sich Tannenberg um den Verbleib Gregor Michalskys und telefonierte deshalb mit dem Leiter der Mannheimer Justizvollzugsanstalt. Der Strafgefangene absolvierte zu diesem Zeitpunkt den obligatorischen Hofgang. Tannenberg hakte ihn ab.
Als Nächster stand der Auftragskiller Carlo Weinhold auf seiner Liste. Er war ein enger Mitarbeiter des Winkeladvokaten Dr. Frederik Croissant und hatte in einem bereits Jahre zurückliegenden Fall mehrere Mordanschläge auf Tannenberg verübt. Da diesem Schwerkriminellen nach seiner Festnahme noch weitere Kapitalverbrechen nachgewiesen werden konnten, überstellte man ihn damals nach Hamburg, wo ihm der Prozess gemacht wurde.
Tannenberg konsultierte die BKA-Datenbank und ermittelte als derzeitigen Unterbringungsort des Inhaftierten die JVA Fuhlsbüttel, wo Weinhold angeblich eine lebenslange Haftstrafe verbüßte. Aufgrund der Schwere der von ihm verübten Verbrechen hatte die zuständige Strafkammer eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.
Trotz dieses zufriedenstellenden Rechercheergebnisses setzte sich Tannenberg mit der Leiterin dieser Justizvollzugsanstalt in Verbindung. Die unfreundliche Beamtin teilte ihm mit, dass der Inhaftierte wegen seiner langjährigen Mitgliedschaft im organisierten Verbrechen in einem Hochsicherheitstrakt untergebracht sei. Eine Flucht aus diesem Gefängnisbereich sei völlig unmöglich. Trotzdem ließ Tannenberg der
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