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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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packte mich eine kalte Wut.
    »Vermissen Sie etwas?« Ich hatte die Beamten während der Besichtigung völlig vergessen.
    »Auf den ersten Blick nicht.«
    »Haben Sie einen Verdacht?«
    Was sollte ich sagen? Ich hatte keinerlei Beweise.
    »Nein.«
    »Wollen Sie Anzeige erstatten?«
    »Bringt das was?«
    Der Beamte zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Grinsen. Alles klar.
    »Keine Anzeige.« Die würde mich doch nur auslachen, die Frau Stadl. Besitzerin einer großen Eigentumswohnung, gesetztes Alter, Mutter eines fast erwachsenen Sohnes, beruflich erfolgreich. Ich hatte nichts Handfestes gegen sie vorzubringen. Treibt sich auf zwielichtigen Trauerpartys herum. Belästigt mich am Telefon. Malt Schwänze. Sohn pennt auf dem Balkon. Psychose. Ab in die Geschlossene. Damit konnte ich niemanden beeindrucken.
    Kein Baulärm war zu hören gewesen. Ich hoffte schon auf ein Ende der Renovierungsarbeiten. Dann legten schlagartig die Pressluftbohrer, Hämmer und Abschleifmaschinen mit Wucht los. Ende der Mittagszeit. Krieg auf den Etagen. Ich verließ mit Claus und den Beamten meine Wohnung. »Die würde ich gerne anzeigen.«
    »Ab halb acht dürfen die.«
    »Krach macht krank.«
    Die beiden Polizisten waren auf Fahrrädern gekommen. Sie bestiegen sie und radelten davon. Krach fiel nicht in ihre Zuständigkeit. Krach war vogelfrei.
    Wir standen vor der Weinhandlung. »Du hast keine Idee?«
    »Doch. Die Stadl.«
    Claus war nicht einmal überrascht, als er das hörte. »Wie soll die denn in deine Wohnung gekommen sein?«
    »Keine Ahnung.« Claus grummelte etwas. »Was sagst du?«
    »Die hatte mal was mit dem Emil vom Schlüsseldienst. Der kriegt alle Schlösser auf.« Ich kannte Emil. Seine Mutter war über 90 und hatte einen jungen Freund. Die beiden sprangen Fallschirm im Doppelpack. Emil grämte sich, weil der junge Freund Alleinerbe war. Er wollte mich schon vor Jahren als Killer anheuern. Ich lehnte ab. »Mensch, Fritz, das kriegst du doch hin!« Emil hatte eine Meise und ich traute ihm alles zu.
    »Meinst du, der Emil weiß was?«
    Claus zuckte mit den Schultern. »Probier’s.« Er ging in seinen Laden. »Bis später.« Ich trottete die Leonhardtstraße hinunter Richtung ›Dollinger‹. Meine Laune war auf einen Tiefpunkt gesunken. Zwar hatte ich noch den Schlüssel von Frau Stadls Wohnung, aber hinauf in den vierten Stock in ihre Wohnung zog es mich nicht. Bestimmt lauerten in allen Ecken unvermutete Schikanen. Der Sohn präsentierte eine neue Marotte. Vielleicht als Pinguin in dem großen Aquarium. Frau Stadl saß mir auf der Pelle, in deftiger Art und Weise aus mir unersichtlichen Gründen, und ein Ende war nicht abzusehen. Oder warum forderte sie nicht ihren Wohnungsschlüssel von mir zurück? Ich wusste es nicht. Ich wollte diesen Zustand beenden.
    Ich hielt Ausschau nach Emil. Um die Nachmittagszeit schlenderte er immer über den Stutti, vom ›Lentz ‹ in den ›Dollinger‹ und retour ins ›Lentz‹. Hin und her. Dabei klimperte er nervös mit einem Schlüsselbund in seiner rechten Hand. Er sah aus wie ein verwitterter Cowboy und war stets auf der Suche nach Frauen. Ich sah ihn auf mich zukommen. Lässig hob er die Hand mit Schlüsselbund zum Gruß, ohne das Klimpern zu unterbrechen.
    »Emil, du kennst doch die Frau Stadl?«
    »Um Gottes Willen!« Emil schritt schnell weiter.
    »War die heute mit deiner Hilfe in meiner Wohnung?«
    Emil reckte beide Arme hoch zum Himmel wie zum Gebet. »Um Gottes Willen!« Die Schlüssel klimperten mit erhöhter Geschwindigkeit.
    Ich beschloss, Martha und Ludwig aufzusuchen. Sie mussten jetzt wach sein. Ludwig nahm immer als Erstes gegen den Tremulus ein Bier zu sich, das ihm Martha einschenkte. Er selbst konnte nicht. Seine Hand zitterte zu heftig. Er hielt das Glas mit beiden Händen fest und drückte es auf die Küchentischplatte. So konnte er das Zittern unterdrücken. Dann näherte er seinen Mund dem Glas, öffnete die Lippen, kippte das Glas leicht an und der erste Schluck rann in seinen Mund, ein paar Tropfen sickerten aus den Mundwinkeln. So leerte er Schluck für Schluck das Glas. Schon nach wenigen Minuten spürte er die Wirkung. »Jetzt geht es mir viel besser.«
    Sie wohnten in der Sybelstraße fast um die Ecke. Ich war rasch dort und schellte. Es war neben der Konditorei ›Richter‹. Dort gab es den besten Kuchen in ganz Berlin. Die Stücke waren winzig klein und lausig teuer.
    »Kauf deinen schwulen Kellnern nicht immer so teure Klamotten!« Richter

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