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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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doch.« Frau Stadl kicherte und legte auf. Auch in diesem Kichern waren diese Kiekser, die ich von Philips Froschquaken her kannte.
    »Wo könnte diese Frau Stadl sein?«, wollte der Lange wissen.
    »Ich habe sie bei Frau Maibaum zuletzt gesehen.«
    »Wo wohnt die?« Ich gab ihm die Adresse. »Wann war das?«
    »Vor zwei Tagen.«
    »Wie lange wollte Frau Stadl denn wegbleiben?«
    »Das hat sie nicht genau gesagt. Eine Woche etwa.«
    Er schaute mich überrascht an. »Haben Sie nicht gefragt?«
    »Sie wollte sich wieder melden.«
    »Warum haben Sie sich überhaupt auf ihr Angebot eingelassen? Ist doch ungewöhnlich!«
    »Weil über mir renoviert wurde. Der Lärm war unerträglich.« Wir standen während des Gesprächs unter dem Kronleuchter, den ich auf Marthas Zeichnung vermutete. Ich hatte mir verschiedene, typische Details der Zeichnung gemerkt. Sie waren identisch mit denen des Kronleuchters, der über uns hing. Es war zweifelsohne der Lüster, an dem ein Mann auf Marthas Zeichnung aufgeknüpft worden war. Vielleicht geschah das Verbrechen nur in Marthas Fantasie, aber ich kannte sie, bei aller Demut gegenüber Ludwig, auch als durchaus nüchternen, am Praktischen orientierten Menschen. Sie hielt den Laden zusammen und die Hand aufs Geld. Ohne sie wäre Ludwig längst verrottet. Warum sollte sie sich grundlos solchen mörderischen Fantasien hingeben? Die Zeichnungen von Martha hatten den Erkennungswert von Fotos. Ich musste die darauf abgebildeten Menschen ausfindig machen. Vor allen Dingen musste ich mit ihr dringend ein Gespräch führen.
    »Wie bitte?« Der Gelbgesichtige hatte mich etwas gefragt. Ich war in Gedanken völlig abwesend.
    »Haben Sie eine Erklärung für das alles?«
    »Ach so, ich sagte ja schon, Zersetzung. Da steckt ein System dahinter. Es ist ja eine Menge passiert. Es gibt Verbindungen. Frau Stadl kennt Frau Maibaum. Ich wurde auf der Beerdigung des Mannes von Frau Maibaum entführt. Die tote Frau Körner war auf diversen Beerdigungspartys. Auch bei Frau Maibaum.« Ich überlegte, ob ich Willy ins Spiel bringen sollte.
    »Die Anschläge auf Sie hätten tödlich sein können.« Der mit dem gelben Gesicht schaute mich prüfend an. »Das ist Ihnen doch klar?« Er setzte mich unter Druck. Er wollte, dass ich alle Karten auf den Tisch legte. Ich hätte durchaus Kunde von Ludwig werden können, und er hätte mir die Grabrede gehalten, nachdem er und Martha mich ins tödliche Spiel gebracht hatten. Ich versuchte mir vorzustellen, was Ludwig gesagt hätte.
    Der mit dem Seehundblick meldete sich. Er hob dabei den Finger wie in der Schule, als wäre ich sein Klassenlehrer. Es sah putzig aus. »Der Pistolenschütze auf dem Motorrad heute Mittag, war das Frau Stadl?« Die Frage überraschte mich. Frau Stadl hatte ein überschießendes Temperament, das keine Grenzen respektierte. Ich dachte an die Zwiebelringe im ›Dollinger‹. Es war ein provozierendes Machtspiel gewesen, ohne jeden Grund und Anlass, einfach mal eben so. Die Stadl auf einem Motorrad? Ich rief mir das Bild des Motorradfahrers in seiner schwarzen Lederkluft ins Gedächtnis zurück. Ich konnte es nicht beurteilen, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war. Es war eine schmale Silhouette gewesen, die mit uns gleichauf fuhr und dann schoss. Es war alles sehr schnell gegangen. Ich schaute fragend Barbara an, die bisher alles stumm verfolgt hatte. »War der Schütze ein Mann, eine Frau?«
    Barbara überlegte. »Frau Stadl ist eine große Frau.«
    »Sie kennen Sie?« Der Seehund richtete seine Kulleraugen auf Barbara.
    »Ja, ihr Sohn war bei mir in Behandlung.«
    »Und was meinen Sie?«
    »Ich würde eher sagen, dass es nicht Frau Stadl war. Dafür war die Gestalt zu schmal.« Philip hatte eine schmale Figur. Der Gedanke kam mir abstrus vor. Aber ich dachte an die Kiekser in der Stimme der Frau Stadl am Handy, die von Philip stammten. Ich war mir inzwischen ziemlich sicher, dass Philip, aus welchen Gründen auch immer, seine Mutter imitierte und mich auch mit ihrer Stimme beschimpft hatte. Die Konsequenz aus dem Gedanken war bizarr. Wenn Philip die Stimme seiner Mutter imitierte, weshalb sollte er dann nicht auch in die Rolle eines schießenden Motorradfahrers schlüpfen? Am Ende war er auch der Bombenleger und der Graffiti-Sprüher in meiner Wohnung? War er der Zersetzer, der Strippenzieher, der große Inszenator? Wie konnte er das leisten, in seinem jugendlichen Alter?
    »Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach diese Frau Stadl?« Der Lange

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