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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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war mir durch und durch zuwider. »Was wollen Sie denn schon wieder?«
    »In Ihrem Briefkasten war eine Bombe!«
    »Ich war es nicht.«
    »Würden Sie bitte mitkommen?«
    »Wohin?« Er schaute sich um und zeigte auf einen VW-Polizei-Bus. »Dahin.« Er marschierte auf den Bus zu und dachte, ich folgte ihm. Der Gelbgesichtige wartete auf mich, um die Nachhut zu bilden. Ich rührte mich aber nicht. Der mit dem Mundgeruch blieb nach ein paar Metern stehen und kam zurück. Claus wollte in den Laden gehen, ich bat ihn, zu bleiben. »Du bist mein Zeuge!«, sagte ich lauter, als es nötig war. Der mit dem Mundgeruch stand wieder vor mir. Ich wollte ihn erst gar nicht zu Wort kommen lassen. »Ich weiß nichts von einer Bombe, ich will auch gar nichts wissen, es ist mir völlig egal, wie die Bombe in den Briefkasten gekommen ist, es ist Ihr Job, das herauszufinden, ich habe auch keine Feinde, die mir nach dem Leben trachten, ich habe, falls Sie auf diese Idee verfallen sollten, wundern würde es mich bei Ihnen nicht, die Bombe auch nicht im eigenen Briefkasten deponiert, genauso wenig wie ich mich selbst in Kofferräumen zu entführen pflege.«
    Der Gelbgesichtige mischte sich ein. »In Ihrem Umfeld passieren merkwürdige Dinge. Das können Sie doch nicht abstreiten. Die Wandmalereien, die Fotos, Ihre Entführung, jetzt die Bombe im Briefkasten. Nichts passt zusammen. Wie erklären Sie sich das denn?« Er hatte eine angenehm sonore Stimme. Beim Sprechen hüpfte sein Kehlkopf. Von den beiden war er der angenehmere Geselle.
    »Ich erkläre mir gar nichts, weil ich nicht die geringste Erklärung habe. Den Mord an Frau Körner haben Sie übrigens vergessen. Der gehört auch noch dazu.« Er hatte sofort einen ganz wachen Blick.
    »Mord? Wovon reden Sie?«
    »Sie erstaunen mich. Ich fand ein Messer in der Wohnung von Frau Stadl, hier über uns im vierten Stock, mit Blutspuren auf der Klinge. Die sind identisch mit dem Blut der Frau Körner, die man vor zwei Tagen tot aus der Spree gefischt hatte, erdolcht mit eben dem Tranchiermesser, das ich in der Küche fand. Dieser Vorfall ist Ihnen unbekannt?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Von einem Gerichtsmediziner, er teilte es einer Freundin, einer Ärztin, vor knapp zwei Stunden mit. Es wundert mich, dass noch keiner Ihrer Kollegen hier aufgetaucht ist. Ich dachte schon, Sie wären, statt mit einer Bombe, damit befasst.« Die beiden kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Wollen Sie uns einen Bären aufbinden?«
    »Mitnichten. Und es kommt noch besser: Auf diese Ärztin und mich wurde, nachdem wir das Messer zwecks Blutanalyse in der Forensik abgeliefert hatten, ein Attentat mit einer Pistole verübt. Wir saßen im Auto. Der Schütze schoss auf die Reifen. Er schoss von einem Motorrad. Wir überschlugen uns. Auch davon wissen Sie nichts?«
    »Da kommt ja allerhand zusammen!« Der Gelbgesichtige konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Darf ich Sie bitten, sich einen Moment zu gedulden?«
    »Wenn Sie mich so schön artig danach fragen.« Die beiden gingen zu dem VW-Bus und telefonierten.
    »Auf dich wurde geschossen?« Claus schaute mich mit großen Augen an.
    »Ich lebte in den letzten Stunden ausgesprochen gefährlich. Ein Kerl auf einem Motorrad schoss auf uns. Heute Mittag. Jetzt die Bombe. Gestern die Entführung im Kofferraum.« Die beiden Kripobeamten kamen von dem VW-Bus zurück. Der mit dem Mundgeruch hielt die Klappe.
    »Der Befund der Blutanalyse lag noch nicht vor. Blieb hängen bei der Staatsanwaltschaft. Die Kollegen sind im Anmarsch. Ich möchte Sie bitten, uns zu begleiten. Das Attentat ist in Arbeit.« Der Gelbgesichtige war von ausgesuchter Höflichkeit. Vielleicht war er ja ein netter Kerl und nur vom Mundgeruch seines Kollegen so gelb im Gesicht. Es grauste mich bei der Vorstellung, mit seinem Kollegen bei Eiseskälte, die Heizung lief auf Hochtouren, die Fenster fest geschlossen, als Polizist gemeinsam Streife fahren zu müssen. »Dann warten wir doch mal, bis die Kollegen da sind. Ich schau mir kurz den Briefkasten an.« Ich durchquerte den Innenhof und betrat das Gartenhaus, in dem ich wohnte. Beamte der Spurensicherung in ihren weißen Plastikoveralls waren am Werkeln. Meinen Briefkasten samt dem daneben hängenden hatte die Bombe bis auf ein paar traurige Blechreste weggerissen. Im Flur waren überall Explosionsspuren, schwarze Placken mit gezackten Rändern. Es roch nach explodiertem Pulver. So hatte es früher gerochen, wenn wir mit Zündplättchen Cowboy

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