Kindswut
mehr glaubte.
Der Gelbgesichtige telefonierte ungeduldig. »Wo bleibt ihr denn?« Es dauerte nicht mehr lange, bis die Kollegen kamen. Gleichzeitig mit Barbara, als wären sie verabredet gewesen. Barbara begrüßte mich.
»Ich habe eine Kieksertheorie.«
»Was hast du?« Ich erklärte ihr die Mechanik des Froschquakens. »Philip und ich haben zusammen gequakt und gegründelt. Diese Kiekser beim Frosch. Wie bei der Stadl.«
»Bist du sicher?«
»Absolut.«
»Willst du damit andeuten, Philip war der Anrufer und er imitiert seine Mutter?«
»Möglich.«
»Der spricht nicht!«
»Wer quakt, kann auch sprechen.«
Die Kripobeamten kamen auf uns zu.
»Sie haben doch einen Wohnungsschlüssel von Frau Stadl?«, erkundigte sich der Gelbgesichtige. Ich bejahte. Wir setzten uns in Marsch. Es war sehr eng im Fahrstuhl, als wir in den vierten Stock fuhren. Es waren immerhin sechs Personen. Den neu Hinzugekommenen musste ich mein Verhältnis zur Stadl erklären. Ich schilderte die Ketchup-Orgie in der Küche und den Fund des Tranchiermessers. Wir waren oben angelangt.
»Wer ist dieser Philip?« Er war klein und sehr dick, der mich das fragte. Der große Schnäuzer und die Kulleraugen erinnerten an einen Seehund. Ich dachte unwillkürlich an Heringe, die ich früher im Zoo den Seehunden im Schwimmbecken zugeworfen hatte. Ich schielte auf seine Hände. Es waren keine Flossen. Der andere war sehr groß und hager. Im Fahrstuhl musste er seinen Hut abnehmen, um nicht an der Decke anzustoßen. Er kaute einen Kaugummi. Vor der Wohnung der Stadl nestelte ich den Schlüssel aus der Tasche, sperrte auf und wir traten ein. Ich fühlte mich unwohl und verfiel in den Ton eines Museumsführers, als ich ihnen die Wohnung zeigte.
»Dieser wunderbare Krustenschrank aus Österreich, eine echte Rarität, ist das Hauptmobiliar und ein Ort des Schreckens. Hier an der Seite können Sie den Beichtstuhl betreten.« Der Lange öffnete die Seitentüre und wollte sich in den Beichtstuhl setzen. Er war zu lang und versuchte, sich mit allen möglichen Verrenkungen zusammenzuklappen, um in den Beichtstuhl zu passen. Ein Fuß, ein Bein, das Gesäß oder der Kopf, ein Glied ragte immer aus dem Schrank, da konnte er sich zusammenfalten, wie er wollte. Es war eine höchst kuriose Vorstellung. Barbara begann zu kichern. Dann versuchte es der Dicke und blieb in der Türöffnung hängen. Ein Dritter versuchte es nicht mehr. Ich fuhr in meinen Ausführungen, vor Lachen glucksend, fort. Barbara prustete. Ich fasste mich wieder. »Im Beichtstuhl saß Philip und musste sich die Beichten der vor dem Schrank knienden Männer anhören, die von Frau Körner mit der Peitsche gezüchtigt wurden. Zeuge dieser Spektakel sind eine Psychologin namens Maria und Frank Götz, der Nachbar. Er intervenierte beim Jugendamt. Ohne Erfolg. Dass hier ein kleines Bordell betrieben wurde, beeindruckte dort nicht. Die genannte Psychologin hatte einen Patienten, der von Frau Körner ›behandelt ‹ wurde, während Philip im Schrank saß.«
Barbara kommentierte meine Darstellung. »Philip ist Autist. Er spricht nicht. Er hat eine Kommunikationsblockade, möglicherweise als Folge dieser traumatischen Erfahrungen, die er hier gemacht hat.«
»Ein Polizist war auch Gast bei der Körner. Er kam mit seinem Schäferhund. Philip wurde während der Beichte mit dem Hund in den Beichtstuhl eingesperrt. Der Hund knurrte, wenn Philip sich bewegte.« Der Dicke notierte eifrig. Nach dem Schrank war die Küche an der Reihe. Sie war blitzsauber und kein Fleckchen Ketchup war zu sehen. Ich fragte mich, wer die Küche gereinigt hatte. Philip, seine Mutter? Ich beschrieb das Mordspektakel, das Philip veranstaltet hatte. Ich spielte es teilweise in Andeutungen vor. Eine neue Form des Heimtheaters, dachte ich, Gruseliges von Tür zu Tür. Im Schlafzimmer zeigte ich ihnen das Pitbull-Bild des chinesischen Malers. »Philip trägt dieses Bild als aufgemalte Maske.« Ganz zuletzt betraten wir die Terrasse. Das Bett war weg, die Kleider fehlten, und auch der Akkordeon-Koffer stand nicht mehr an seinem Platz. Philip hatte die Terrasse geräumt. Er hatte nichts zurückgelassen. Er war nicht in der Wohnung. Es sah ganz danach aus, als sei er ausgezogen.
»Wie ist diese Frau Stadl denn erreichbar?«, erkundigte sich der Gelbgesichtige. Ich gab ihm die Nummer, die auf meinem Display stand. Er wählte und schaltete den Lautsprecher zum Mithören an.
»Ja, hier Stadl.«
»Hier ist die Kripo.«
»Weiß ich
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