King of the World
Molineaux Cribb, doch Cribbs Anhänger ließen nicht zu, daß er gegen einen Schwarzen verlor. Sie stützten ihren Mann – im Wortsinn – und provozierten lange Verzögerungen, damit Cribb genügend Zeit hatte, sich von seinen Prügeln zu erholen. Manche aus dem Publikum griffen Molineaux sogar an, boxten ihn, brachen ihm ein paar Finger. Schließlich war Cribb soweit wiederhergestellt, daß er in der vierzigsten Runde siegte.
Der Gestank nach Sklaverei, nach reichen Rohlingen, die die Starken und Verzweifelten ausbeuteten, verzog sich auch nicht mit der Emanzipationserklärung von 1863. John L. Sullivan, der erste Champion der Moderne, begründete die »Farbengrenze« im Boxen, indem er sich weigerte, gegen schwarze Herausforderer zu kämpfen. »Ich kämpfe nicht gegen einen Neger«, erklärte Sullivan. »Das habe ich nie getan und werde es auch nie tun.« Sullivans Nachfolger, Jim Jeffries, sagte ebenfalls, er werde sich zurückziehen, »wenn keine weißen Gegner mehr übrig sind«. Was er auch tat. Doch dann lockte man Jeffries aus seinem Pensionärsdasein, um gegen Jack Johnson anzutreten, der den Titel dem weißen Boxer Tommy Burns abgenommen hatte.
Jeffries räumte ein, daß er weniger um eines Gürtels willenin den Ring zurückkehrte, als um die weiße Rasse zu rehabilitieren. »Ich gehe in diesen Kampf aus einem einzigen Grund, nämlich um zu beweisen, daß ein Weißer besser als ein Neger ist«, sagte er. Natürlich hatte er lautstarke Unterstützung der Presse, auch die des gelegentlichen Boxkorrespondenten des
New York Herald
, Jack London. London hielt sich für einen großen Radikalen, einen Freund der Arbeiter, doch sein Rassismus hätte nicht klarer sein können. »Jeff muß von seiner Alfalfa-Farm kommen und Johnson das Lächeln aus dem Gesicht fegen«, schrieb er. »Jeff, auf dich kommt es an.« Die Redakteure der beliebten Illustrierten
Collier’s
erklärten, Jeffries werde bestimmt siegen, wegen der langen Geschichte seines Heldenmuts; schließlich greife der Weiße auf »dreißig Jahrhunderte Tradition zurück – all die großartigen Leistungen, die Erfindungen und Eroberungen und, ob er es weiß oder nicht, Bunker Hill und die Thermophylen und Hastings und Agincourt«. Jeffries konnte einfach nicht verlieren. Eine gewisse Dorothy Forrester schrieb ein Lied zum Lobe Jeffries’ mit dem Titel »Jim-ada-Jeff«, in dem sie Jeffries folgendermaßen instruierte:
Beginne nur gleich und mach dir Kondition
Und schlage den Sack Tag und Nacht,
Und schon sehr bald, wenn auf den Nigger du triffst,
Haust du ihn, daß es kracht.
Wer gibt dem Jack Jonce eine harte Straf?
Wer schickt ihn in einen tiefen langen Schlaf?
Wer macht aus dem Afrika ein lammfrommes Schaf?
Nur Jim-a-da-Jeff.
Als Johnson schließlich in Reno, Nevada, am 4. Juli 1910 in den Ring stieg, um gegen Jeffries zu kämpfen, skandiertedie Menge »Kill the Nigger!«. Eine Kapelle intonierte »All Coons Look Alike to Me« (»Für mich sehen alle Nigger gleich aus«). Wenn das Johnson mißfiel, zeigte er es jedenfalls im Ring nicht. Johnson schlug Jeffries vernichtend, demütigte ihn sowohl mit der Faust als auch verbal, verhöhnte ihn und seine Betreuer während des ganzen Kampfs. »Kaum war der erste Treffer angebracht, wußte ich, daß ich Jeffs Herr werden würde«, schrieb Johnson in seiner Autobiographie.
Als Johnsons Triumph im ganzen Land verkündet wurde, kam es in Illinois, Missouri, New York, Ohio, Pennsylvania, Colorado und im District of Columbia zu Krawallen. In Houston schnitt ein Weißer einem Schwarzen namens Charles Williams die Kehle durch, weil sein Jubel über Johnson zu überbordend war. In Washington, D. C., erstach eine Gruppe Schwarzer zwei Weiße. In Uvalda, Georgia, eröffnete eine Gruppe Weißer das Feuer auf eine Gruppe Schwarzer, die Johnsons Sieg feierten; drei Schwarze starben, fünf wurden verwundet. In Manhattan rettete die Polizei einen Schwarzen vor dem Lynchtod. Tausende Weißer versammelten sich auf der Eighth Avenue und drohten, jeden Schwarzen, der sich blicken ließ, zusammenzuschlagen. Bis zum Attentat auf Martin Luther King 1968 löste kein rassischer Vorfall eine solche Gewaltreaktion aus. Erschrocken verabschiedete der Kongreß ein Gesetz, das den zwischenstaatlichen Vertrieb von Boxfilmen untersagte. Verschiedene religiöse und politisch rechte Gruppen, die sich davor nie besonders fürs Boxen interessiert hatten, wollten es ganz verbieten.
Natürlich wurde Johnson, wo er auch hinkam,
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