King of the World
Ehe oft glücklich war, besonders, wenn sie allein und nicht den urteilenden Blicken der anderen Muslims ausgesetzt waren. Nachts sang er ihr seinen Lieblingssong vor, Ben E. Kings »Stand by Me«. Dann wiederum konnte Ali die Kluft zwischen ihnen nicht ertragen. Er wurde wütend, wenn sie die Zwänge und Mythologien der Muslims hinterfragte oder ihn darauf aufmerksam machte, wie anders er in Gegenwart Herbert Muhammads und der anderen Muslims war. Einmal schlug er Sonji sogar, was er noch dreißig Jahre später bedauerte. »Das war falsch«, sagte er zu Thomas Hauser. »Das war das einzige Mal, daß ich so was gemacht habe, und hinterher tat es mir mehr leid als ihr. Es tat mir mehr weh als ihr. Ich war jung, zweiundzwanzig, und sie machte Sachen gegen meine Religion, aber das ist keine Entschuldigung. Ein Mann darf nie eine Frau schlagen.«
Doch trotz aller Unruhe, aller Gerüchte um eine Gewalttat und der häuslichen Zwietracht blieb Ali ruhig, obwohl ja auch der Rückkampf mit Liston bevorstand. Als er sein Training vor dem Kampf allmählich auf ein paar Läufe mit Howard Bingham frühmorgens reduzierte, verbrachte Ali die meiste Zeit in seiner Suite im zweiten Stock des Holiday Inn. Eines Nachmittags waren Bundini und Pat Putnam vom
Miami Herald
bei Ali und Sonji. Bundini war im Badezimmer, Ali lag auf dem Bett. Sonji saß an der Frisierkommode und bürstete sich die Haare. Ein paar Zimmer weiter, auf dem Außengang, waren Polizeiwachen. Plötzlich fiel ein Schuß. »Das war dieser bescheuerte Bundini, der im Badezimmermit seiner Pistole spielte, die dann losging«, sagte Putnam. »Alle waren angespannt bis in die Haarspitzen, nur Ali nicht. Ali machte Bundini natürlich zur Schnecke, aber dann war’s auch wieder gut. Seine Gedanken waren beim Kampf, nicht bei Killerkommandos.«
Liston trainierte nun in dem Heilbad Poland Springs. Unter den Hotelgästen befanden sich über hundert katholische Priester, die sich zu einer Tagung in der Stadt aufhielten, sowie Teilnehmer an einem gewaltigen Trommel- und Trompetenwettbewerb. Die Boxjournalisten, die glaubten, die Sonne gehe um zehn auf, waren äußerst ungehalten darüber, morgens um sieben von Trommeln und Trompeten geweckt und dann beim Frühstück von unzähligen schwarzgewandeten Männern verstört zu werden. Auch das Poland Spring Hotel selbst beeindruckte sie nicht sonderlich; seine Einrichtung beschwor die verstaubten hölzernen Wirtshäuser aus den Western John Fords herauf. Die »Feuerleiter« bestand aus einem langen Seil in jedem Zimmer. Es gab nur Gemeinschaftsbaderäume.
In Listons Camp wich die Entschlossenheit einer allgemeinen Trägheit; es kam zu Meinungsverschiedenheiten. Liston lieferte sich Brüllgefechte mit Jack Nilon, nicht nur auf dem Zimmer, sondern auch im Foyer; zumeist ging es um Geld. Geraldine Liston sagte Jahre später, daß Sonny für den zweiten Kampf gegen Ali 250 000 Dollar bekam, nie jedoch die 150 000 Dollar, die er noch für den Kampf in Miami bekommen sollte. Liston war in Lewiston sehr schlecht gelaunt.
»Es war alles sehr enttäuschend«, sagte Geraldine Jahre später. »Das Training war schlecht. Es war naß. Es war feucht. Und die kleine Halle, in der sie dann kämpften, war grauenhaft, wissen Sie, und so war Sonny sehr enttäuscht,und ich … ich glaube, er war schon an dem Punkt angelangt, wo er sagte, na egal, ob ich jetzt siege oder verliere, was soll’s. Er war ziemlich niedergeschlagen.«
Wenn Liston Besuch von der Nation of Islam bekommen hatte, machte er kein großes Aufheben davon, und er gab sich alle Mühe, Ali mit Verachtung zu behandeln. Wiederum war er von den Traditionalisten im Schwergewicht umgeben – Louis, Marciano, Walcott, Braddock und Patterson –, und er trainierte auch ganz traditionell. Unter einem spektakulären Kronleuchter und im Sonnenlicht, das grün durch bemaltes Glas fiel, hüpfte er Seil zu Lionel Hamptons »Railroad No. 2«, ein schnelleres Stück als »Night Train«. Für das ungeübte Auge beherrschte er wie üblich seine Sparringspartner, die so tapfer waren, bis zum Ende auszuharren. »Sagt mir nicht, ich habe Angst vor Clay«, sagte Liston einmal beim Training zu Reportern. »Angst habe ich bloß davor, daß er sein großes Maul so weit aufreißt, daß mein Arm drin verschwindet. Ich muß mich rehabilitieren, nachdem ich zugelassen hab, daß dieser Clay mir meinen Titel genommen hat … Den bekehr ich schon – zu einer Leiche.« Sechs Tage vor dem Kampf bezeichnete der
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