King of the World
tief hält, daß er keinen Punch hat, daß er auf den Kopf geht und nicht auf den Körper, das übliche«, sagte Dundee.
Dundee quartierte Clay in einem Hotel im Schwarzenghetto ein, dem Mary Elizabeth, einer Anlaufstelle von Luden, Prostituierten, Gaunern aller Art und Saufbrüdern. Cassius erlag den Versuchungen des Mary Elizabeth nicht, dazu war er zu gut erzogen. Ganz im Gegenteil, nachdem die örtlichen Ganoven herausgefunden hatten, daß er boxte, und nachdem sie ihn kennengelernt und sich von ihm hatten verzaubern lassen, nahmen sie ihn mit in den großen Nachtclub am Platz, das Sir John, wo es die beste Musik der Stadt gab, und während sie sich vollaufen ließen, trank Clay Orangensaft und ging früh nach Hause. Sein Tag begann um fünf mit einem langen Lauf den Biscayne Boulevard entlang, bis Bay Point, und später vom Ghetto nach Miami Beach, um mit Dundee im Fifth Street zu trainieren.
»Das war ja doch Miami, da war noch nichts mit Bürgerrechten und so, das war der tiefe Süden, und Muhammad lief über den MacArthur Causeway zum Camp, und ich kriegte Anrufe von der Polizei, da wär ein großer schmaler Schwarzer, der da
rennt
– und ob ich was drüber wüßte«, erzählte Dundee. »Ich sagte, der gehört zu uns, das ist Cassius Clay. Er war der lockerste Typ, den man sich vorstellen kann. Er aß immer im Famous Chef, auf unsere Rechnung. Hat sich nie über was beklagt. Er wollte immer nur trainieren und kämpfen, trainieren und kämpfen.«
Wie jeder kluge Trainer wollte Dundee Clay langsam und zielbewußt aufbauen, ihn mit jedem neuen Kampf einer neuen Herausforderung, neuartigen Problemen, körperlichen wie geistigen, aussetzen. Von Beginn an akzeptierte Clay alles, was ihm vorgesetzt wurde, mit gelassener Zuversicht – was das Pugilistic College of Cardinals vor den Kopf stieß. Bevor er zu seinem zweiten Kampf gegen einen gewissen Herb Siler antrat, verkündete er der Menge: »Ich werde Floyd Patterson schlagen! Ich werde Weltmeister!« Heute, so viele Jahre nach seinem Aufstieg und Niedergang, haben diese Worte durchaus ihre Logik, ja geradezu etwas Anheimelndes, Vertrautes, wie eine alte Popmelodie, die man wieder mal im Autoradio hört. Damals jedoch, 1960, war Clay noch ein hoffnungsvoller Achtzehnjähriger, einer, der im Vorprogramm kämpfte; es war, als hätte ein Outfielder in der American-Legion-League, einer Baseball-Liga, den Manager der San Francisco Giants angerufen und geschworen, er werde Willie Mays die Centerfield-Position abnehmen.
Wie sehr Dundee von Anfang an von Clay eingenommen war, zeigt sich daran, daß er nie versuchte, ihm etwas aufzuprägen, ihn leiser zu machen oder ihm einen anderen Kampfstil aufzuzwingen. Vielmehr bestärkte er Clay in seinem Auftreten, fand es schlimmstenfalls harmlos und sahviel eher einen kommerziellen und psychologischen Vorteil darin. In jenem Jahr bestritt Clay in Miami vier Kämpfe – gegen Siler, Tony Esperti, Jim Robinson und Donnie Fleeman –, und zu jedem kamen mehr Leute; man hatte von dem neuen Jungen mit den schnellen Händen gehört, dem Jungen mit der Goldmedaille und der Silberzunge.
»Der Kampf gegen Fleeman fand zu Beginn des Frühjahrstrainings statt, und einige der Schwergewichte der schreibenden Zunft – Shirley Povich, Doc Greene, Al Buck, Dick Young, Jimmy Cannon – waren hier und hatten Zeit mitgebracht«, sagte Dundee. »Es waren Freunde von mir, und ich wollte ihnen meinen Kämpfer vorführen. Also, Muhammad kam aus der Dusche. Er hatte gesiegt. Doch die Schreiber waren von ihm als Kämpfer nicht sonderlich begeistert – sie fanden, er hüpfe zuviel herum und mache alles falsch. Sie glaubten, er habe nur ein großes Maul und kein Talent. Es war noch eine Zeit, in der die Kämpfer meinten, sie brauchten neun Leute, die das Reden für sie besorgten. Joe Louis sagte immer: ›Mein Manager redet für mich. Ich rede im Ring.‹ Bei Marciano war das ganz ähnlich. Muhammad dagegen war gleich ganz anders, und ich fand das toll. Also wartete Muhammad darauf, daß sie ihre Blöcke herausnahmen. ›Redet ihr denn nicht mit mir? Redet ihr denn nicht mit mir?‹ So machte er sie an. Worauf sie ihm dann zuhörten.«
Einer der Stammgäste im Fifth Street war Ferdie Pacheco, ein Arzt, der mehrere Kliniken in den schwarzen und hispanischen Ghettos hatte. Aus Spaß und als Ausgleich für seinen anstrengenden Beruf arbeitete er mit Dundee für etliche Kämpfer als medizinischer Betreuer. Noch bevor Pacheco zu Clays Entourage stieß,
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