King of the World
viele andere gegeben –, doch keiner, nicht einmal Elijah Muhammad, verbreitete den Gedanken der Identität der afrikanischen Amerikaner mit größerer Verve. »Wirkten die schwarz-nationalistischen und separatistischen Gedanken, die von Elijah Muhammad kamen, verschroben, kultartig, provinziell und marginal«, schreibt Gerald Early, »so wirkten dieselben Gedanken, wenn sie von Malcolm kamen, revolutionär, hip und dynamisch.«
Elijah Muhammad erkannte in Malcolm X einen potentiellen Rivalen, aber er sah auch seinen Wert als Redner und Organisator, als Werbender und als Brücke zu den Medien und der größeren Welt. Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre wurde Malcolm als Leiter der New Yorker Moschee Nr. 7 zum festen Ansprechpartner der Presse; ungeachtet der Haltung der Sekte gegenüber Gewalt und den »blauäugigen Teufeln«, vermochte er zahllose weiße Reporter zu faszinieren, angefangen mit Murray Kempton von der
New York Post
bis hin zu Dick Schaap, der von
Newsweek
zur
Herald Tribune
gegangen war. »Das Eigenartigste an Malcolm war, daß er in seinen Reden die Weißen zwar als Teufel bezeichnete, was klar war, im persönlichen Gespräch jedoch behandelte er einen mit Respekt und Humor, und es wirkte nie aufgesetzt«, sagte Schaap. »Warum mochte ich einen Mann, der mich für den Teufel hielt? Ich weiß es wirklich nicht, aber so war es. Vielleicht hatte ich so ein Gefühl, daß er sich ändern würde. Was dann ja auch geschah.« Elijah Muhammad war für die weißen Medien exotischer und ferner: Mit seinem Fez und seinen langen, schwer verständlichen Reden über das Mutterflugzeug und die Kosmologie der Muslims fehlte ihm Malcolms Fähigkeit, direkt zu sein; junge Leute sprach er damit weniger an. Clay dagegen sehr. Hatte Clay seine ersten Muslim-Lektionen von den Vertretern in Miami und dem Regionalzentrum in Atlanta gelernt, begeisterte ihn nun Malcolm. Clay verehrte Elijah Muhammad als das leibhaftige Göttliche seiner neuen Religion, doch mit Malcolm fühlte er sich verbunden wie ein junger Mann mit einem älteren Bruder, dem er mit Ehrfurcht begegnet. Malcolm war nun sein geistlicher Ratgeber, sein Freund und Mentor.
»Malcolm X und Ali waren wie sehr vertraute Brüder«, sagte Ferdie Pacheco. »Es war fast so, als wären sie ineinander verliebt. Malcolm fand, Ali sei der Tollste, der ihm je begegnet war, für Ali wiederum war dieser Mann der klügste Schwarze auf der ganzen Welt, weil ihm alles, was er sagte, einleuchtete. Malcolm X war verdammt intelligent, überzeugend, charismatisch auf eine Art, wie große Führer und Märtyrer es sind. Und das kam bei Ali natürlich an. Die einzige Schwierigkeit, die Ali mit alldem hatte, war der Gedanke, daß alle Weißen böse waren. Was war denn mit den Weißen in Alis unmittelbarer Umgebung: mit mir, Angelo,Chris, Morty Rothstein, dem Anwalt, der weißen Louisville Group, die einen Haufen Geld ranschaffte, damit er Geld hatte, wenn er welches brauchte. Er sah weit und breit keine weißen Teufel. Aber er holte sich bei den Muslims eben, was er brauchte. Die Muslims befriedigten ein tiefes Bedürfnis in ihm, besonders Malcolm X.«
Die beiden Männer lernten sich 1962 in Detroit kennen, wohin Cassius und sein Bruder Rudy fuhren, um an einer Kundgebung der dortigen Moschee teilzunehmen. Vor deren Beginn liefen die Clays in der Studentencafeteria Malcolm X über den Weg. Clay hielt ihm sogleich die Hand hin und sagte: »Ich bin Cassius Clay.«
Malcolm hatte keine Ahnung, wer dieser gutaussehende junge Mann war. Er hatte als Junge geboxt – er hatte sich für alle möglichen Sportarten interessiert –, doch während der letzten Jahre war er viel zu beschäftigt gewesen, um einen Blick in den Sportteil zu werfen. Schließlich erklärte man ihm, daß Cassius Clay einer der großen Anwärter auf den Titel im Schwergewicht sei. Und trotz Elijah Muhammads Verurteilung des Boxsports interessierte sich Malcolm für diesen selbstbewußten jungen Mann, der auf Kundgebungen im ganzen Land auftauchte. Malcolm suchte Clay auf und unterhielt sich mit ihm über Fragen von Islam und Rasse, und Clay begann sich Malcolm anzuvertrauen – sogar einige seiner Berufsgeheimnisse vertraute er ihm an.
»Cassius war einfach ein liebenswerter und freundlicher Bursche, anständig und vernünftig«, erzählte Malcolm Alex Haley für seine Autobiographie. »Mir fiel auf, wie aufmerksam er sogar in kleinen Details war. Ich vermutete, daß er mit seinem clownhaften Auftreten
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