King of the World
ausseht«, sagte Clay.
»Nein«, sagte Lennon, »aber du.«
Clay sah genau hin, ob Lennon lächelte; er tat es.
Die jungen Schreiber wie Lipsyte sahen Clay tatsächlich als den fünften Beatle, allesamt Parallelspieler in dem großen sozialen Generationsumbruch der amerikanischen Gesellschaft.Das Land befand sich mitten in einer gewaltigen Umwälzung, einem Erdbeben, und dieser Boxer aus Louisville und diese Band aus Liverpool waren ein Teil davon, sogar ihre
Anführer
, ob sie es schon wußten oder nicht. Die Mischung der Beatles aus schwarzem R & B und Liverpooler Pop und Clays Mischung aus Trotz und Witz veränderten den Sound der Zeit, ihr Wesen; neben dem Marsch auf Washington und den Sümpfen Vietnams wurden sie auf ihre Weise zu einem wesentlichen Teil der Phantasmagorie der sechziger Jahre.
Für die meisten der älteren Kolumnisten jedoch war dieser PR -Gag im Fifth Street Gym nur ein Teil all dessen, was auf dieser Welt alles im argen lag, mehr Lärm, mehr Respektlosigkeit, mehr Unverschämtheiten von jungen Männern, die sie nicht mehr verstehen konnten. »Clay ist ein Teil der Beatles-Bewegung«, schrieb Jimmy Cannon Jahre später so wunderbar. »Er paßt zu den berühmten Sängern, die keiner mehr hören kann, und den Kerlen mit den Motorrädern, die sich Eiserne Kreuze an die Lederjacke stecken, und Batman und den Jungen mit den langen dreckigen Haaren und den Mädchen mit dem ungewaschenen Aussehen und den College-Kindern, die nackt auf geheimen Partys in irgendwelchen Wohnungen tanzen, und zu der Revolte jener Studenten, die an jedem Monatsersten von Daddy einen Scheck bekommen, und zu den Malern, die das Etikett auf Suppendosen abmalen, und den Surfdeppen, die nicht arbeiten wollen, und dem ganzen verhätschelten stilbildenden Kult der gelangweilten Jugend.«
DRITTER TEIL
KAPITEL 9
KREUZ UND HALBMOND
New York, 1963. Mit Malcolm X.
Clay wußte, wenn er sein Interesse an der Nation of Islam öffentlich machte, konnte das seine Chance, gegen Liston um den Titel zu kämpfen, gefährden, doch ganz mochte er sich nicht zurückhalten. Verstecken, verheimlichen, lügen – das war nicht seine Sache. Das Ergebnis war, daß sein neuer Glaube an die Presse durchsickerte, zwar nicht auf einmal als die große Enthüllung, aber nach und nach, Artikel um Artikel. Am 30. September 1963 schrieb die
Philadelphia Daily News
, Clay habe an einer Kundgebung der Black Muslims in der Stadt teilgenommen, auf der Elijah Muhammad seine übliche dreistündige Tirade gegen die Bürgerrechtsbewegung und die weiße Rasse abgelassen habe. »Obwohl er sagte, er sei kein Muslim«, fuhr der Artikel fort, »sagte Clay, er finde Muhammad ›toll‹.«
Was die
Daily News
nicht wußte, war, daß Elijah Muhammad noch immer Abstand zu Clay hielt, Malcolm X dagegen, sein eloquentester und bekanntester Prediger, nicht. Wie viele neue Mitglieder der Nation in den fünfziger Jahren hatte Malcolm, als er zu der Sekte stieß, Großstadtarmut, Kriminalität und Gefängnis hinter sich. Als »Detroit Red« war Malcolm Alkoholschmuggler, »Numbers«-Verkäufer (eine Art Lotterie) und Drogendealer gewesen; als »Rhythm Red« hatte er in Nachtclubs getanzt. Schließlich saß er eine Strafe im Gefängnis von Charleston und der Besserungsanstalt von Concord ab, wo er dann 1948 zur Nation of Islam konvertierte. Als Malcolm 1952 aus dem Gefängnis entlassen wurde, lernte er Elijah Muhammad kennen und stieg schnell auf der Leiter der Muslim-Priester auf. Keiner der Anhänger Muhammads hatte eine solche Intelligenzund solch rhetorisches Geschick gezeigt. Bei den alljährlichen »
Savior’s Day
«-Kundgebungen redete Malcolm häufig vor Elijah Muhammad, und zumeist stahl der Protegé dem »
savior
«, dem Erlöser, selbst die Schau. Wegen seiner Jugend, weil er auf der Straße gelebt und schließlich die Erlösung davon gefunden hatte, wegen seiner Disziplin, seines sprühenden Geistes, seiner klaren, voll tönenden Sprache übte Malcolm auf Neumitglieder eine starke Anziehungskraft aus. Er wurde zum Symbol für kompromißlose Kraft, Authentizität und Männlichkeit. Malcolm wagte es auch, sich Muhammad (zunächst behutsam) entgegenzustellen, indem er ihn drängte, die traditionelle Isolationspolitik der Nation zugunsten eines direkteren Engagements bei politischen Aktionen aufzugeben. Dabei war er keineswegs der erste schwarze Nationalist – vor ihm hatte es schon Hubert Harrison, Henry McNeal Turner, Martin Delany und
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