Kings of Cool: Roman (German Edition)
aufräumen, sie von der amerikanischen Landkarte tilgen.
Er glaubt .
Die Frage ist also, wo fängt es an?
Vielleicht an dem Morgen, an dem Dennis vor dem Spiegel steht, sich rasiert und eine unbehagliche, unbestimmte Unzufriedenheit spürt. Aber vielleicht auch nicht (die Vorstellung von einem allwissenden Erzähler ist doch sowieso für den Arsch, oder?)
Vielleicht fängt es schon am Abend vorher an, mit dem Gespräch über die Arbeitsflächen aus Granit. Die Küche wird neu gemacht, und seine Frau will unbedingt Arbeitsflächen aus Granit, aber wenn man sich die Preise in den Katalogen ansieht, dann ist das der Hammer, verdammte Scheiße.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Arbeit zu den Dingen gehört, über die er am Donnerstagabend zu Hause nicht spricht, wenn Domino's die Pizza liefert und seine Älteste schon ernsthaft auf American Idol abfährt. Wenn ihm seine Frau die »Wie war dein Tag«-Frage stellt und er »gut« antwortet, und es das dann gewesen ist, und ihn das mürbe macht, sich von den Menschen zu entfernen, die er am meisten liebt.
Vielleicht liegt es auch nur daran, dass sich mit der Zeit einiges ansammelt oder –
Oder vielleicht ist es ein blau gefrorenes Baby in der dunklen grauen Dämmerung vor über zwanzig Jahren in einem Krieg, der niemals endet.
70
Chons Gesicht erscheint auf dem Bildschirm.
Dank des Wunders namens Skype.
Ben stellt den Bildschirm seines Laptops so ein, dass O ihn auch sehen kann.
Sie setzt ein breites Grinsen auf.
»Chonny, Chonny, Chonny, Chonny Boy!«
»Hallo, Leute.«
»Wie geht's, Bruder?«, fragt Ben.
»Gut. Super. Und selbst?«
»Ausgezeichnet«, lügt Ben.
Er will's ihm sagen.
Kann aber nicht.
Auch nicht, als Chon fragt: »Was machen die Geschäfte?«
»Laufen prima.«
Weil's ihm wirklich grausam vorkommt, jemandem etwas von einem Problem zu erzählen, gegen das er nichts tun kann, außer rumsitzen und sich Sorgen machen. Und das Letzte, was er möchte, ist Chon ablenken. Schuld daran sein, dass er mit den Gedanken nicht bei der Sache ist.
Und Chon sieht müde aus, erschöpft.
Deshalb lügt Ben, indem er nichts sagt.
Sie machen Smalltalk, O versichert Chon, dass sie sich gut um seine Pflanze kümmert, und dann ist Chons Zeit abgelaufen und sein Gesicht verschwindet wieder vom Bildschirm.
71
Ben lügt.
Chon hat es ihm angesehen.
Zu Hause stimmt was nicht, irgendwas mit dem Geschäft, aber er schiebt den Gedanken beiseite und konzentriert sich auf den Auftrag.
Der Auftrag ist einfach.
Er hat das jetzt schon ein paar Dutzend Mal gemacht – nachts ein Haus angreifen.
Mit komplizierten Operationen wie Counterinsurgency – Aufstandsbekämpfung, bei der man das Vertrauen der Menschen gewinnt, Dörfer sicherer macht, Krankenhäuser baut, Wassersysteme säubert, Schulen eröffnet, Herzen und Köpfe erobert – hat Chons Einheit nichts am Hut.
Sie ist für Terrorbekämpfung zuständig.
Das heißt »Zersetzen und Zerschlagen« der Kommando- und Kontrollsysteme des Feindes.
Im Klartext: Feindliche Anführer finden und töten.
Weil Tote keinen Schaden mehr anrichten.
Die Kollateralthese besagt, wenn man genügend Anführer getötet hat, wird denen auf der mittleren Ebene die Lust vergehen, sich auf die freigewordenen Stellen zu bewerben.
Niemand will mehr befördert werden.
(Mehr Geld
mehr Verantwortung
Büro mit Aussicht
Laserleuchtpunkt.)
Da die meisten Salafisten irgendwann, aber nicht unbedingt sofort ins Paradies wollen, überlassen sie großzügig erst mal anderen den Vortritt. Ansonsten würde Bin Laden auf dem Sears Tower stehen, winken und »fangt mich doch« rufen, anstatt sich zu verstecken.
Auf jeden Fall wurde Chons Einheit im Verlauf einiger Kriege von Counterinsurgency auf Terrorbekämpfung umgeschult, weil letzteres
billiger
schneller
und statistisch besser zu erfassen ist.
Leichen lassen sich leichter zählen als eroberte Herzen (wankelmütig) und Köpfe (unberechenbar).
Deshalb ist Chon Aufträge wie diesen gewohnt.
Wenn es nur nicht so verdammt viele davon gäbe.
So viele Feinde zu töten.
72
Dennis hat Verbrecher eingebuchtet und gesehen, wie andere an ihre Stelle gerückt sind.
Dennis hat in die toten, gequälten Gesichter seiner Informanten geblickt
Dennis hat –
Schon mal den Ausdruck »eine Wagenladung Geld« gehört? Und das für eine Redewendung gehalten?
Dennis hat das gesehen, buchstäblich.
Eine Wagenladung Geld unterwegs nach Mexiko zu Leuten, die Küchen mit
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