Kings of Cool: Roman (German Edition)
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Geld ist die Zukunft, und Kokain bringt Geld. Börsenmakler koksen, Filmproduzenten, Musikmanager, Ärzte, Anwälte, Indianerhäuptlinge – die sind nicht auf Gras, die sind auf Koks.
Gras ist ein Haus in Dodge City, Koks eins am Strand.
Gras ist ein neuer Transporter, Koks ein Porsche.
Gras: Hippiemädchen, die nach Patschuliöl stinken. Koks: Models in Chanel.
John hat's kapiert.
John zieht mit.
Es ist 1976, zweihundert Jahre Unabhängigkeit, jetzt beginnt das –
BuyCentennial.
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Sie starrt in den Spiegel und zieht langsam, aber sehr genau einen Lidstrich.
Der Eyeliner ist perfekt, der Mascara ist perfekt, der dezente blaue Lidschatten ist perfekt, der Hauch von Rouge, der ihre Wangenknochen aus Porzellan betont, ist perfekt. Sie bürstet ihr volles blondes Haar, bis es perfekt glänzt.
Kühl, objektiv und kritisch kommt Kim zu dem Schluss, dass sie
perfekt ist.
Sie erhebt sich vom Hocker und tritt vor den bodenlangen Spiegel an der Tür ihres winzigen Zimmers in dem Trailer in San Juan Capistrano, in der Nähe der Erdbeerfelder.
Kim streicht das klassische, kleine Schwarze glatt und vergewissert sich, dass genug zu sehen ist, Oberschenkel und Dekolletee, aber nicht zu viel. Das Kleid ist der Ertrag aus monatelangem Kellnern im Harbor Grill in Dana Point für beschissene Trinkgelder und anzügliche Blicke, weil Kim supergut aussieht, aber nicht wie
siebzehn.
Das Kleid ist perfekt, befindet sie.
So wie der schwarze BH, der ihre Brüste perfekt formt, so wie sie es in der Vogue , der Cosmo und im Playboy gesehen hat, die sie allesamt aufmerksam studiert, um herauszubekommen, wie Männer Frauen gerne hätten, dazu die Penthouse , weil sie wissen will, was Männer von Frauen wollen.
Kim weiß das nicht, weil sie nie einen Freund oder auch nur eine Verabredung hatte – sie klettert auf keinen Rücksitz, sie steigt noch nicht mal in einen Wagen.
Sie ist Kim, die Eiserne Jungfrau, die Frigide, Kim der Kühlschrank, und es ist ihr egal, was man über sie sagt – sie wird sich nicht an Highschool-Jungs verschwenden, die nichts zu bieten haben, was ihr Leben schöner macht, die ihr nicht geben können, was sie will: etwas Besseres, etwas viel Besseres als die beschissenen Wohnungen und Trailer, für die sich ihre Mutter abrackert, etwas Besseres als die Typen, die ihre Mutter mit nach Hause bringt und die sie bittet wieder zu gehen, bevor ihre Tochter aufwacht.
Kim hat sich aufgespart, sich für sich selbst behalten.
Sie schaut sich um, beobachtet
sie wartet, wartet darauf
dass ihr Körper zu ihrer Seele aufschließt
perfekt wird
absolut unwiderstehlich.
Weil man mit dem arbeitet, was man hat.
Die Welt hat ihr kein Geld geschenkt, keine Familie und keine besondere Stellung, aber
Schönheit.
Und jetzt ist sie so weit, jetzt kann sie sich auf die Suche begeben – auf die Jagd .
Nach einem besseren Leben.
Kim hat einen Plan.
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Seit Monaten arbeitet sie daran.
Okay, eigentlich ihr ganzes Leben, aber auf die Idee für genau diesen Plan ist sie erst vor ein paar Monaten gekommen, als sie die Klatschspalten im Orange County Register überflog, den ein paar Kunden im Diner neben ein bisschen Kleingeld auf dem Tisch liegen gelassen hatten.
Die jährlich stattfindende Wohltätigkeitsveranstaltung einer Krebstiftung im Ritz Carlton.
Sie betrachtet die Fotos der Reichen – ihre fröhlichen Gesichter, das perfekte Lächeln, die frisierten Haare, die schönen, stilsicheren Klamotten, und wie sie selbstbewusst die Köpfe vor die Kameras halten. Sie liest die Namen, Mr. und Mrs., Dr. und Mrs. Und denkt –
Ich gehöre auch dazu.
Sie wissen es nur noch nicht.
Weil sie mich noch nicht kennen.
Kim nimmt die Klatschspalten mit nach Hause, schneidet die Bilder aus und heftet sie an die Pinnwand über dem kleinen Schreibtisch in ihrem Zimmer. Studiert sie eifriger als Algebra, Chemie oder Englisch, weil ihr diese Fächer
nichts
bringen werden, und eines Tages auf dem Heimweg nach der Arbeit – ihr rosafarbenes Uniformkleid ist voller Fett- und Kaffeeflecken – macht sie Halt in einem Stoffgeschäft und kauft ein Schnittmuster. Drei Wochen später kauft sie schwarzen Stoff.
Aber es gibt ein Problem.
Sie kann gar nicht nähen, und außerdem hat sie keine Nähmaschine, also steht sie am nächsten Morgen auf, nimmt das Muster und den Stoff, überquert den »Rasen« aus Kies, klopft an die Tür von Mrs. Silvas Trailer und fragt:
»Können Sie mir helfen?«
Mrs.
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