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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Klingeln. Diesmal war das Wohnzimmer aufgeräumt, von ihrer Näharbeit kündete nur ein säuberlich zusammengefalteter Stapel Stoff auf der Armlehne der Couch. Raymond war nirgends zu sehen.
    »Er hatte einen schlimmen Tag«, erklärte sie mir. »Lyle kam auf dem Heimweg von der Arbeit vorbei, und wir haben ihn ins Bett gesteckt.«
    Auch der Fernseher war nicht eingeschaltet, und ich fragte mich, was sie mit sich an den Abenden anfing.
    »Elizabeths Sachen sind im Keller«, murmelte sie. »Ich hol gerade den Schlüssel für den Verschlag.«
    Gleich darauf kehrte sie zurück, und ich folgte ihr hinaus auf den Korridor. Wir gingen nach links, am Treppenhaus vorbei zu der Kellertür, die rechts in die Wand eingelassen war. Die Tür war abgeschlossen, und nachdem sie sie geöffnet hatte, knipste sie den Lichtschalter am Eingang an. Schon wehte mir der trockene, muffige Geruch von alten Fliegenfenstern und halbleeren Eimern Latexfarbe in die Nase. Ich war etwa zwei Schritte hinter ihr, als wir die schmale Holztreppe hinuntergingen. Es folgte ein scharfer Knick nach rechts. Vom Absatz aus erhaschte ich einen Blick auf Betonboden und Lattenverschläge, die bis zu der niedrigen Decke hinaufreichten. Irgend etwas stimmte nicht, aber das Sonderbare drang erst richtig ins Bewußtsein, als der Schuß ertönte. Die Glühbirne über dem Treppenabsatz zerbarst, besprenkelte uns beide mit dünnen Glasteilchen, und augenblicklich war der Keller in Dunkel gehüllt. Grace kreischte auf, und ich packte sie, zog sie die Treppe hinauf. Dabei verlor ich das Gleichgewicht, und sie stolperte über mich. Es mußte noch einen anderen Ausgang geben, denn ich hörte das Aufreißen einer Holztür, ein Krachen und dann, wie draußen jemand mit langen Schritten die Betonstufen nahm. Ich wand mich unter Grace hervor und zerrte sie die Treppe hoch, dann ließ ich sie auf dem Flur zurück und rannte zur Haustür hinaus, um die Seite des Gebäudes herum. Irgendwer hatte einen alten Motorrasenmäher in der Auffahrt stehenlassen, und ich stürzte im Dunkeln, landete auf Händen und Knien und fluchte wild, als ich mich wieder hochrappelte. Ich erreichte die Rückseite des Gebäudes, geduckt, das Herz klopfte mir bis zum Hals. Es war stockduster, meine Augen begannen sich gerade erst anzupassen. Ein Fahrzeug startete eine Straße weiter oben, und ich konnte hören, wie es mit einer raschen Schaltung lospreschte. Ich tauchte weg, lehnte mich gegen die Hauswand, vernahm nichts als das schwächer werdende Dröhnen eines Fahrzeugs, das sich mit hoher Geschwindigkeit entfernte. Mein Mund war trocken. Ich war schweißgebadet und merkte, wie mich verspätet ein Schauder durchlief. Meine Handflächen brannten, wo der Kies die Haut aufgeritzt hatte. Ich trabte zu meinem Wagen, hohe meine Taschenlampe heraus und steckte die kleine Automatic in die Tasche meiner Windjacke. Ich glaubte zwar nicht, daß noch jemand da war, der schießen würde, aber ich war es leid, überrascht zu werden.
    Grace saß auf der Türschwelle, den Kopf zwischen den Knien. Sie zitterte am ganzen Körper und hatte angefangen zu weinen. Ich half ihr auf die Füße und schob die Wohnungstür auf.
    »Fyle hat gewußt, daß ich die Sachen abholen wollte, stimmt’s?« fuhr ich sie an. Sie warf mir einen gehetzten, flehenden Blick zu.
    »Er kann es nicht gewesen sein. Er hätte mir das nicht angetan«, wimmerte sie.
    »Ihr Vertrauen ist rührend«, sagte ich. »Nun setzen Sie sich. Ich bin gleich wieder da.«
    Ich ging zurück zur Kellertreppe. Der Strahl der Taschenlampe durchschnitt die Schwärze. Am Fuß der Treppe war eine zweite Glühlampe, und ich zog an der Schnur. Das matte, trübe Licht aus der schaukelnden Lampe warf einen gelben Kreis, der langsam zum Stillstand kam. Ich schaltete die Taschenlampe aus. Ich wußte, welcher Verschlag Mrs. Glass gehörte. Man hatte ihn aufgebrochen, das Vorhängeschloß hing unnütz zwischen den zerschmetterten Latten. Pappkartons waren aufgerissen worden, und ihr hastig umhergestreuter Inhalt bildete ein knöcheltiefes Durcheinander, durch das ich mir einen Weg suchte. Auf allen entleerten Kartons stand entgegenkommenderweise der Name »Elizabeth« in dicken Filzschreiberstrichen. Ich hätte gern gewußt, ob wir den Eindringling gestört hatten, bevor oder nachdem er gefunden hatte, was er suchte. Ich hörte ein Geräusch hinter mir und fuhr herum, wobei ich die Taschenlampe sofort wie eine Keule hob.
    Ein Mann stand da und starrte verdutzt auf

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