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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ein kleines Kind im Haus hat. Geräusche, Unterbrechungen, das ständige Bemühen um Aufmerksamkeit. Schon eine durchschnittliche Mutter kann mich in Erstaunen versetzen. Mein Gott, was für eine Seelenruhe.
    »Schauen Sie«, grinste sie glücklich. Sie stellte das Fenster hoch. Vorher war das, als würde man ein Gewicht von fünfzig Pfund anheben. Auf halbem Weg blieb es dann stecken, kreischte und flog unerwartet hoch, wobei das Glas beinahe zersprang, wenn es vor den Rahmen knallte. Um das Fenster hinunterzuziehen, mußte ich mich praktisch mit beiden Händen daranhängen und es Stück für Stück runterholen. Die meiste Zeit hatte ich es einfach geschlossen gelassen. Jetzt glitt es ohne Störung hinauf.
    Sie machte einen Schritt zurück, damit ich es probieren konnte. Ich langte hinüber und zog es hinab, war aber offensichtlich nicht genügend auf die Verbesserung vorbereitet, denn das Fenster kippte so schnell hinunter, daß es mit seinem ganzen Gewicht gegen die Pfosten in der Wand knallte.
    Becky lachte. »Ich hab Ihnen doch gesagt, daß es funktioniert.«
    Ich starrte erst sie, dann den Fensterrahmen an. Zwei Gedanken waren mir gleichzeitig durch den Kopf geschossen. Ich dachte an Dr. Pickett und die Zahnröntgenbilder und an May Snyders Behauptung, sie habe an dem Abend, als Marty gestorben war, jemanden peng-peng-peng machen hören.
    »Ich muß weg«, stieß ich hervor. »Sind Sie so ziemlich fertig?«
    Sie lachte wieder; diese unbehagliche, falsche Heiterkeit, die hervorsprudelt, wenn man denkt, daß man es mit jemandem zu tun hat, der einen auf den Arm nimmt. »Äh, nein. Ich dachte, Sie hätten gesagt, daß Sie noch andere Dinge erledigt haben wollten.«
    »Morgen. Oder vielleicht übermorgen«, sagte ich. Ich ging mit ihr zur Tür und langte nach meiner Handtasche.
    Becky ließ sich widerstandslos herumschieben.
    »Habe ich was Falsches gesagt?« fragte sie.
    »Wir werden morgen darüber reden«, erwiderte ich. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar für die Hilfe.«
    Ich fuhr wieder in Elaines Viertel und kreiste dort im Block, um Dr. Picketts Praxis in der Arbol zu finden. Ich hatte sie vorher schon einmal gesehen; eines dieser einstöckigen holzverschalten Häuschen, die hier in der Gegend mal so vorherrschend waren. Die meisten sind in Filialen von Grundstücksgesellschaften und Antiquitätenläden umgewandelt worden, die aussehen wie ein kleines, überfülltes Wohnzimmer mit einem außen vorgehängten Schild.
    Dr. Pickett hatte ein paar Blumenbeete zugepflastert, um einen kleinen Parkplatz zu schaffen. Da hinten stand nur ein Wagen: ein 1972er Buick mit einem Ziemummernschild mit der Aufschrift: Prothes. Ich hielt daneben, schloß meinen Wagen ab und ging ums Haus herum nach vorn und zur Veranda hoch. Das Schild an der Tür sagte Bitte Eintreten, also tat ich es.
    Das Innere erinnerte mich deutlich an meine Grundschule: lackierte Holzfußböden und der Geruch nach Gemüsesuppe. Hinten in der Küche hörte ich jemanden herumklappern. Dort lief ein Radio, das auf einen Country-Music-Sender eingestellt war. Ein verschrammter hölzerner Schreibtisch stand quer im Eingangsflur. Darauf befanden sich eine kleine Klingel und ein Schild mit den Worten Bitte Läuten. Ich schlug leicht auf die Glocke.
    Zu meiner Rechten befand sich ein Wartezimmer, das mit modernen Plastiksofas und niedrigen Furnierholztischen im dänischen Stil möbliert war. Die Zeitschriften waren sorgfältig in einer Reihe aufgestellt, aber die Abonnements waren wohl abgelaufen. Ich entdeckte eine Li/e-Ausgabe, auf deren Titelbild das »Starlet Janice Rule« abgebildet war. Dr. Picketts Behandlungszimmer war von dem Anmelderaum abgeteilt. Durch die offene Tür konnte ich einen altmodischen Zahnarztstuhl mit einem schwarzen Plastiksitz und ein weißes Spuckbecken aus Porzellan entdecken. Das Instrumententablett war rund und schaukelte offensichtlich an einem Metallarm. Weißes Papier deckte die Oberfläche ab wie ein Platzdeckchen, und die Instrumente waren darauf aufgereiht wie Sachen aus einem Zahnheilkundemuseum. Ich war regelrecht begeistert, daß ich meine Zähne nicht gleich jetzt behandeln lassen mußte.
    Entlang der Wand zu meiner Linken standen einige abgenutzte Holzaktenschränke. Unbeaufsichtigt. Ich spürte, wie es mir in den Fingern juckte. Pflichtbewußt läutete ich noch einmal die Glocke, aber die Countrymusic heulte immer weiter. Ich kannte das Lied, und dieser Text bricht mir seit jeher das Herz.
    Auf der Vorderseite eines

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