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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Detektivin und ich nicht. Na gut, schauen wir mal nach, wie’s im Dezember aussieht.« Sie ging ungefähr fünfzehn Karten durch. Ich machte mir schon Sorgen über Mr. Picketts Jahreseinkommen, wenn er weniger als einen Patienten am Tag hatte.
    »Wenig los gewesen, in dem Monat«, bemerkte ich und beobachtete sie.
    »Er ist schon halb im Ruhestand«, entgegnete sie, in ihre Suche vertieft. »Er kümmert sich noch um die alten Menschen hier in der Gegend, aber er versucht, seine Praxis möglichst einzuschränken. Er hat schlimmere Krampfadern als ich, und sein Arzt will nicht, daß er den ganzen Tag auf den Beinen ist. Wir gehen bei jeder Gelegenheit raus und machen Spaziergänge. Hält den Kreislauf in Schwung. Hier ist sie.« Sie hielt eine Karteikarte hoch und überreichte sie mir mit einer Mischung aus Triumph und Erleichterung. Auch wenn sie fast im Pensionsalter waren, die Praxis wurde immer noch gut geführt.
    Ich studierte die Karte. Alles, was draufstand, waren Elaine Boldts Name und Adresse und der Tag, an dem sie dagewesen war. 28. Dezember. War ich auf der richtigen Spur? Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen.
    »Marty Grice wird wohl zuerst hiergewesen sein«, meinte ich, »und wird Dr. Pickett dann an Elaine weiterempfohlen haben.«
    »Das ist leicht nachzuprüfen«, sagte Mrs. Pickett. »Sehen Sie? Auf der Rückseite der Karte gibt es die Rubrik >Empfohlen durch< und da steht Mrs. Grices Name, wie man sieht. Eigentlich machen wir das, damit wir eine Möglichkeit haben, Leute, die sich vor der Rechnung drücken wollen, aufzuspüren.«
    »Könnte ich Martys Karte mal sehen?« fragte ich.
    »Nun, warum denn nicht.«
    Sie ging wieder an den Karteischrank, zog einen schmalen Umschlag aus der Schublade mit der G-I-Markierung und reichte ihn mir. Martys Name war säuberlich auf das obere Schild getippt. Ich öffnete den Umschlag. Es befanden sich drei Blätter darin. Das erste war ein medizinischer Fragebogen, der Informationen über Medikamentengebrauch, bekannte Allergien und frühere Krankheiten haben wollte. Marty hatte das Formular ausgefüllt und unterschrieben, und sich so automatisch mit »allen erforderlichen Zahnbehandlungen« einverstanden erklärt. Das zweite Blatt war eine Beschreibung des Zahnzustands und fragte nach Wurzelkanälen, Zahnfleischbluten, gelegentlichem schlechtem Atem und Zähneklappern oder — knirschen. Das dritte Blatt enthielt Informationen über die tatsächlich vorgenommene Behandlung. In eine Zeichnung der oberen und unteren Zahnreihe, die wie eine Mercatorprojektion angelegt war, waren mit Filzstift die vorhandenen Füllungen eingetragen. Martys Name war säuberlich in die oberste Zeile getippt. Darunter waren Dr. Picketts handschriftliche Notizen. Ein Routinebesuch. Sie hatte sich die Zähne reinigen lassen. Offensichtlich hatte sie keine Karies. Es waren Röntgenaufnahmen gemacht worden, und es war vorgesehen, daß sie im Juni wiederkommen sollte. Eine ganze Weile lang starrte ich darauf und ließ mir die gesamte Abfolge der Ereignisse durch den Kopf gehen. Alles schien in Ordnung zu sein, außer dem Datum: 28. Dezember. Ich ging ans Fenster und hielt die Karte ins Licht. Ich merkte, wie sich auf meinen Lippen ein kühles Lächeln bildete, denn irgendwie hatte ich geahnt, daß es darauf hinauslaufen würde. Ich hatte bloß nicht dran geglaubt, daß ich den Beweis wirklich finden würde. Doch hier hatte ich ihn. Jemand hatte den ursprünglich hineingetippten Namen säuberlich übertuscht und Martys Namen genau darüber getippt. Ich fuhr mit dem Finger über die oberste Zeile und fühlte nach dem daruntergetippten Namen, als wäre er in Brailleschrift geschrieben. Elaine Boldts Name war als feiner Abdruck unter dem Namen Marty Grice erkennbar. Die letzten paar Puzzleteile fügten sich aneinander. Ich war sicher, daß es ihre verkohlten Überreste gewesen waren, die man an jenem Abend aus Grices Haus geborgen hatte. Ich schloß die Augen. Plötzlich schien alles sehr seltsam. Seit zehn Tagen war ich Elaine auf der Spur, ohne zu merken, daß ich sie bereits gesehen hatte, auf einer Fotografie in der Mordakte, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Marty Grice lebte, und ich vermutete, daß sie und Pat Usher ein- und dieselbe Person waren. Ein paar Einzelheiten würden noch niet- und nagelfest gemacht werden müssen, aber ich hatte eine sehr genaue Vorstellung, wie der Mord durchgeführt worden war.
    »Fühlen Sie sich nicht gut?«
    »Mir geht’s gut«, sagte ich

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