Kinsey Millhone 02- In aller Stille
mir den momentanen Stand der Dinge mitteilen?«
Pam brach den Blickkontakt ab und führte schnell eine weitere Fingerprüfung durch: Ohrring, Haare, Revers. Sie nahm eine Schlaufe der Goldkette auf und fuhr mit dem Zeigefinger darin hin und her, daß ich schon Angst bekam, sie würde sich die Haut durchsägen. Sie wollte mir sagen, daß Leonard Grice mich nichts anginge, aber sie wußte auch, daß ich gelegentlich für California Fidelity arbeitete.
»Wo liegt das Problem?«
»Kein Problem«, meinte ich. »Vera Lipton macht sich Gedanken über den Anspruch aus dem Feuerschaden, und ich muß wissen, ob es noch andere gültige Policen gab.«
»Einen Moment mal, ja? Leonard Grice ist ein sehr lieber Mann, und er hat ein schreckliches halbes Jahr durchgemacht. Wenn California Fidelity vorhat, ihm Schwierigkeiten zu machen, dann sollte sich Vera besser direkt an mich wenden.«
»Wer hat denn was von Schwierigkeiten gesagt? Vera kann den Anspruch nicht bearbeiten, solange der Schadensnachweis nicht da ist.«
»Das versteht sich von selbst, Kinsey«, erwiderte sie. »Ich weiß immer noch nicht, was das mit dir zu tun hat.«
Ich fühlte, wie mir das Lächeln im Gesicht gefror. Ich lehnte mich vor, die linke Hand flach auf dem Schreibtisch, die rechte in die Hüften gestützt. Ich hielt die Zeit für gekommen, unsere Beziehung klarzustellen.
»Nicht, daß es dich irgend etwas anginge, Pam, aber ich bin mitten in einer großen Untersuchung, die hiermit zu tun hat. Du mußt mir nicht behilflich sein, doch dann werde ich hingehen und dem Geschäftsführer hier eine gerichtliche Verfügung präsentieren, und dann wird jemand so schwer wie eine Tonne Briketts auf dich runterknallen wegen der ganzen Schwierigkeiten, die du verursachen wirst. Also, willst du nun auf diese Art weitermachen, oder was ist?«
Unter ihrem dicken Make-up zeigten sich Spuren von Sonnenbräune. »Hoffentlich glaubst du nicht, daß du mich einschüchtern kannst«, sagte sie.
»Überhaupt nicht.« Ich hielt den Mund und ließ sie die Drohung verdauen. Ich dachte, daß es ziemlich gut geklungen hatte.
Sie nahm einen Stapel Papier auf und klopfte ihn auf den Schreibtisch, während sie die Ränder in eine Linie brachte. »Leonard Grice war durch die California-Fidelity-Lebens- und die California-Fidelity-Unfallversicherung versichert. Er erhielt zweitausendfünfhundert Dollar für die Lebensversicherung, und er wird fünfundzwanzigtausend für den Brandschaden an seinem Haus bekommen. Der Inhalt war nicht versichert.«
»Warum nur fünfundzwanzigtausend für das Haus? Ich dachte, es sei über hundert Riesen wert? Er wird nicht einmal genug Geld haben, um die Reparaturen ausführen zu lassen, oder?«
»Als er das Haus 1962 kaufte, war es fünfundzwanzigtausend wert, und dafür hat er es versichern lassen. Er hat den Umfang niemals vergrößert, und er hat auch keine andere Police abgeschlossen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, was er mit dem Haus noch anfangen könnte. Es ist ein totaler Verlust, und das hat ihm wohl auch das Genick gebrochen.«
Nun, da sie es mir gesagt hatte, fühlte ich mich schuldig wegen dem ganzen Machoscheiß, den ich ihr zugemutet hatte.
»Danke. Das war eine große Hilfe«, sagte ich. »Ach... übrigens, Vera läßt dich fragen, ob du Interesse daran hast, einen ungebundenen Luftfahrtingenieur mit Knete kennenzulernen.«
Ein herrlicher Ausdruck der Ungewißheit huschte über ihr Gesicht: Zweifel, sexuelles Verlangen, Gier. Bot ich ihr da eine Torte oder einen dicken braunen Haufen auf dem Silbertablett an? Ich wußte, was in ihrem Kopf vorging. In Santa Teresa ist ein alleinstehender Mann vielleicht zehn Tage auf dem Markt, bevor ihn sich eine geschnappt hat.
Sie warf mir einen skeptischen Blick zu. »Was stimmt denn nicht mit ihm? Warum hast du ihn nicht schon genommen?«
»Ich bin gerade einer Beziehung entflohen«, erwiderte ich, »ich bin auf dem Rückzug.« Was stimmte.
»Vielleicht klingel ich mal bei Vera durch«, sagte sie schwach.
»Prima. Nochmals vielen Dank für die Informationen«, sagte ich und winkte ihr zu, als ich ihren Schreibtisch verließ. Bei meinem Glück würde sie sich wahrscheinlich in diesen Typen verlieben und mich zur Brautjungfer wählen. Dann müßte ich eines dieser blöden Kleider mit Riesenvolant um die Hüften tragen. Als ich mich nach ihr umschaute, schien sie geschrumpft zu sein, und ich fühlte einen Stich. Sie war gar nicht so übel.
11
An diesem Abend ging ich zum
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