Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Stockwerk und besteht aus dem gleichen Zellennetz wie das der California Fidelity. Nichts architektonisch Neues für das Versicherungsgewerbe heutzutage. Sie müssen sich fühlen, als erledigten sie ihre Geschäfte in einer Reihe von Laufställen. Die Gesellschaft, für die sie arbeitet, Lambeth und Creek, ist eine unabhängige Agentur, die für eine Anzahl von Gesellschaften, CF eingeschlossen, Policen ausschreibt. Ich hatte erst einmal mit Pam zu tun gehabt, als ich einem Ehemann auf Abwegen nachspionierte. Seine Frau, meine Klientin, war dabei, sich von ihm scheiden zu lassen und hoffte auf Beweise für seine Verführungskünste, um sie bei der Verhandlung gegen ihn zu verwenden. Pam hatte mir das übelgenommen, nicht weil ich ihre Affäre mit dem Mann aufgedeckt hatte, sondern weil ich zwei andere Frauen, die zur gleichen Zeit mit ihm zu tun hatten, zutage gefördert hatte. Natürlich ist nichts darüber vor Gericht zur Sprache gekommen, aber ihr Name stand in meinem Bericht. Sie hatte mir nie verziehen, daß ich zuviel wußte. Santa Teresa ist eine kleine Stadt, und wir laufen uns von Zeit zu Zeit über den Weg. Wir sind freundlich zueinander, aber die Höflichkeiten werden unterhöhlt von Groll auf ihrer Seite und heimlichem Amüsement auf meiner.
Pam ist winzig, ein struppiger kleiner Chihuahua von einem Menschen. Sie ist die einzige Frau, die ich kenne, die behauptet, sie sei zehn Jahre älter, als sie wirklich ist, damit jeder ihr sagt, wie jung sie aussieht. Folglich schwört sie, sie sei achtunddreißig. Ihr Gesicht ist klein, die Haut dunkel. Sie trägt fingerdickes Make-up in verschiedenen Schattierungen auf, ein vergeblicher Versuch, »Stufen« auf ihre Wangen zu zaubern. Ich habe da Neuigkeiten für sie: Es gibt keine Möglichkeit, Säcke unter den Augen durch den geschickten Gebrauch von »Abdeckung« zu vertuschen. Jeder, der ein bißchen Hirn hat, kann von fast allen Winkeln aus die Säcke genau dort sitzen sehen, nur daß sie dann gespenstisch weiß statt grau aussehen. Wer läßt sich davon an der Nase herumführen? Warum nicht auf den dunklen Ringen bestehen, und dann wenigstens exotisch und weltklug aussehen... Anna Magnani, Jeanne Moreau, Simone Signoret vielleicht. Pam hatte sich außerdem kürzlich eine Dauerwelle zugelegt, so daß ihre hellbraunen Haare jetzt kraus und zerzaust aussahen, ein Stil, der offensichtlich als »Schlafzimmer-Look« bezeichnet wurde. An diesem Tag War sie im Jagdstil zurechtgemacht: Reitjacke, braune Knickerbocker, rosa Strümpfe und flache Schuhe mit Schnallen. Die einzige Jagd, auf die sie ging, war allerdings in den Single-Bars. Dort sackte sie sich Eine-Nacht-Geschichten ein, als wäre die Saison beinahe vorbei und ihr Jagdschein liefe ab. Okay, einen Moment mal. Ich merke, daß ich jetzt unfair werde. Ich mag Pam nicht mehr als sie mich. Jedesmal, wenn ich sie sehe, fühle ich mich klein und gemein — was nicht gerade mein Lieblingseindruck von mir ist. Vielleicht geht sie mir aus dem gleichen Grund aus dem Weg.
Ihre Kabine ist gleich am Anfang, wahrscheinlich ein Statussymbol. Sie sah mich und beschäftigte sich eilig mit Papieren und Akten. Bis ich bei ihr am Schreibtisch angelangt war, hatte sie ein Telefongespräch begonnen. Sie muß mit einem Mann gesprochen haben, weil sie sich sehr kokett benahm. Beim Reden berührte sie sich selbst überall, rollte sich eine Haarlocke um den Finger, überprüfte den Ohrring, strich sich über den Jackenaufschlag. Sie trug eine Reihe goldener Ketten, die ebenfalls geordnet wurden. Manchmal rieb sie sich das Kinn mit der Schlaufe einer Goldkette und stieß ein heiteres, trillerndes Lachen aus, das sie wohl spätnachts geübt hatte. Sie schaute mich an, heuchelte Überraschung und hielt eine Hand hoch, um anzudeuten, daß ich warten müßte.
Sie drehte sich mit ihrem Stuhl von mir weg und beendete das Telefonat mit irgendeiner gemurmelten Intimität. Auf dem Aktenstapel auf dem Schreibtisch lag eine Ausgabe von Cosmopolitan, die Artikel über den G-Punkt, kosmetische Chirurgie bei Brustoperationen und die alltägliche Vergewaltigung durch die Gesellschaft versprach.
Pam legte schließlich auf und drehte sich zu mir zurück, während all die Munterkeit aus ihrem Gesicht verschwand. Es gab keinen Grund, die ganze Show auf mich zu verschwenden. »Kann ich dir behilflich sein, Kinsey?«
»Ich hörte, daß du einige Policen für Leonard und Marty Grice ausgestellt hast.«
»Stimmt.«
Ich lächelte ein wenig. »Kannst du
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