Kinsey Millhone 02- In aller Stille
auch Beverly gewesen sein, wissen Sie. Vielleicht hat Bev sie in der Damentoilette im Flughafen von St. Louis kaltgemacht.«
»Oder hat sie in Santa Teresa umgebracht und sich von da an für sie ausgegeben. Vielleicht war sie es, die die Koffer gepackt und das Flugzeug genommen hat.«
»Versuchen Sie es anders herum«, meinte ich. »Denken Sie an Pat. Ich meine, was, wenn Pat Usher für Elaine eine Fremde gewesen ist, einfach jemand, den sie im Flugzeug kennengelernt hatte. Vielleicht sind sie ins Gespräch gekommen, und Pat wurde klar — « Als ich Julias Gesichtsausdruck wahrnahm, ließ ich den Gedanken fallen. »Es hört sich ganz schön lahm an«, räumte ich ein.
»Ach, warum denn — ein bißchen Spekulation kann nicht schaden. Vielleicht kannte Pat sie schon in Santa Teresa und ist ihr hierhergefolgt.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. »Nun, ja. Ich glaube, das wäre möglich. Tillie sagt, sie hat von Elaine — zumindest nimmt sie an, daß es Elaine war — bis März per Postkarte gehört, aber auch die Karten könnte jemand gefälscht haben.«
Ich erzählte ihr von meinen Gesprächen mit Aubrey und Beverly, und als ich mittendrin war, rastete mein Gedächtnis wieder ein; einer dieser wundervollen kleinen Gedankenblitze, wie ein schneller elektrischer Schlag, wenn ein Stecker nicht mehr in Ordnung ist. »Oh, warten Sie. Gerade ist mir etwas eingefallen. Elaine hatte eine Rechnung von einem Kürschner hier in Boca bekommen. Was, wenn wir ihn aufspüren und herausfinden könnten, ob er den Mantel gesehen hat? Das könnte uns auf eine Spur bringen.«
»Welcher Kürschner? Wir haben hier einige.«
»Ich muß Tillie fragen. Kann ich in Kalifornien anrufen? Wenn wir den Mantel finden, bekommen wir vielleicht auch eine Verbindung zu ihr.«
Julia schwenkte den Stock Richtung Telefon. In wenigen Minuten hatte ich Tillie am Apparat und erzählte ihr, was ich benötigte.
»Nun, du weißt ja, daß die Rechnung zusammen mit dem Rest gestohlen wurde, aber ich habe gerade noch eine erhalten. Warte, ich werde nachsehen, was drinsteht.« Sie legte den Hörer hin und ging los, um die Post zu holen.
Dann kam sie an den Apparat zurück. »Sie wurde gemahnt. Es ist die zweite Zahlungsaufforderung von einem Laden namens Jacques — sechsundsiebzig Dollar für Reinigung und zweihundert Dollar für Kürzen des Mantels. Warum hat sie das nur gemacht? Mit der Hand ist ein kleines lachendes Gesicht darunter gemalt: >Danke für Ihren Auftrag« — gefolgt von einem traurigen Gesicht: »Hoffentlich ist die Verzögerung nur ein Versehen«. Es sind noch ein paar Rechnungen angekommen. Mal nachsehen, was drinsteht.«
Ich hörte, wie Tillie auf ihrer Seite der Leitung Umschläge auf riß.
»Huch. Tja, das sind alles Zahlungsaufforderungen. Sieht aus, als hätten sich eine Menge Mahnungen angesammelt. Mal sehen. Oh je. Visa, MasterCard. Das neueste Datum darauf ist ungefähr zehn Tage her, aber vermutlich war das einfach das Ende des Abrechnungszeitraums. Sie wird aufgefordert, ihre Karten nicht mehr zu benutzen, bis sie die Schulden beglichen hat.«
»Kann man daraus ersehen, wo sie ihre Einkäufe gemacht hat? War sie irgendwo in Florida?«
»Ja, scheint größtenteils Boca Raton und Miami zu sein, aber das kannst du dir selbst ansehen, wenn du zurückkommst. Da ich nun die Schlösser ausgetauscht habe, sollten sie hier sicher sein.«
»Danke, Tillie. Kannst du mir die Adresse des Kürschners geben?«
Ich machte mir eine Notiz und bekam eine Wegbeschreibung von Julia. Dann verließ ich sie und ging zum Parkplatz hinunter. Der Himmel war drohend grau, und in der Ferne rollte der Donner, als ob Möbelpacker ein Piano über eine hölzerne Rampe schoben. Es war heiß und ruhig, und das Licht war von einem grellen Weiß, das den Rasen in ein phosphoreszierendes Grün verwandelte. Ich hoffte, daß ich meine Geschäfte erledigt hatte, bevor mich der Regenguß erwischen konnte.
Jacques lag in der Mitte einer eleganten Einkaufsfläche, die von einem schattenspendenden Gitterwerk überdacht und mit zierlichen Birken in großen hellblauen Töpfen bepflanzt war. Kleine italienische Lampen waren durch das Geäst gewunden und funkelten in der Düsterkeit des herannahenden Sturmes wie zu einem verfrühten Weihnachten. Die Geschäftsfront war in taubengrauem Granit gehalten, und die Tauben, die über den Gehweg stolzierten, wirkten, als wären sie nur wegen ihres dekorativen Effekts dahingebracht worden. Selbst das Geräusch, das
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