Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
schwarzes Roßhaar-Sofa, eine raffinierte Spanische Wand aus Elfenbein, Jadefiguren, einen Schaukelstuhl, zwei Zinnoberlampen, Perserbrücken, einen Pfeilerspiegel in einem dunklen Mahagonirahmen, ein Piano, auf dem ein Fransenschal lag, Spitzengardinen, Wandteppiche aus bestickter Seide. Ein großer, tragbarer Fernsehapparat mit einem Fünfundzwanzig-Inch-Bildschirm protzte auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, umgeben von Familienfotografien in schweren Silberrahmen. Der Fernseher war ausgestellt und sein leeres graues Gesicht war merkwürdig anziehend in einem Raum, der voller Erinnerungsstücke steckte. Das einzige Geräusch in dem Apartment war das stetige Ticken einer Großvateruhr. Es klang, als würde jemand mit einem Paar Trommelstöcken auf Hartplastik klopfen.
    Ich ging in die Küche, kochte Kaffee für uns beide und brachte ihn ins Wohnzimmer. Die Tassen klingelten leise in den Untertassen, wie das Zittern eines kleineren kalifornischen Erdbebens. »Sind das Familienerbstücke? Einige der Sachen sind wunderschön.«
    Julia lächelte und wackelte mit dem Stock. »Ich bin die letzte aus unserer Familie, die noch lebt, deshalb habe ich all dies durch Unterlassung geerbt. Ich war die jüngste in einer Familie mit elf Kindern, und meine Mutter sagte, ich sei zänkisch. Jedesmal schwor sie, ich würde gar nichts erben, aber ich hielt einfach den Mund und wartete ab. Tatsächlich, sie starb, mein Vater starb. Ich hatte acht Schwestern und zwei Brüder, und sie alle starben. Stück für Stück floß mir nun alles zu, obwohl ich zur Zeit kaum Platz habe, alles hinzustellen. Letztlich muß man doch alles abgeben. Man beginnt mit einem Zehn-Zimmer-Haus, und schließlich findet man sich in einem Pflegeheim gestrandet wieder, das nur Platz für einen Nachttisch und einen Kerzenhalter hat. Nicht, daß ich vorhabe, mir das antun zu lassen.«
    »Nach dem, was ich gesehen habe, sind Sie in der Lage, so ziemlich überall hinzugehen.«
    »Nun, das hoffe ich. Ich werde so lange wie möglich aushalten und dann die Tür verrammeln und verriegeln und mir mein Ende selbst bereiten, falls die Natur mir nicht zuvorkommt. Ich hoffe, ich werde eines Nachts in meinem Bett sterben. Im Bett bin ich geboren worden, und ich stelle es mir nett vor, auch darin zu sterben. Haben Sie eine große Familie?«
    »Nein, nur mich. Ich wurde von einer Tante aufgezogen, aber sie starb vor zehn Jahren.«
    »Ach, dann sitzen wir ja im selben Boot. Ist es nicht erholsam?«
    »So kann man’s auch nennen«, meinte ich.
    »Ich komme aus einer Familie, die aus Kreischern und Raufbolden bestand. Alle warfen mit Gegenständen herum. Gläser, Teller, Tische, Stühle, alles, was sie in die Finger bekamen. Immer war die Luft voll mit fliegenden Waffen — Dinge, die von einer Seite des Zimmers zur anderen schossen und, wenn sie trafen, ein großes Geheul hervorriefen. Das waren fast alles Mädchen, wissen Sie, aber wir hatten alle tödliche Absichten. Ich hatte eine Schwester, die hat mal eine Grapefruit wie einen angeschnittenen Ball nach mir geworfen und mich damit aus dem Hochstühlchen gekickt. Überall flog der Haferschleim herum. Eulalie hieß sie. Wenn ich heute daran zurückdenke, fällt mir auf, daß wir sehr gewöhnlich waren, aber effektiv. Wir haben alle im Leben bekommen, was wir wollten, und nie hat uns jemand Hilflosigkeit oder Feigheit vorwerfen können. Nun denn. Nehmen wir diese Taschen in Angriff. Wenn es hart auf hart kommt, können wir sie immer noch über den Balkon werfen. Ich bin sicher, daß sie sich öffnen, wenn sie unten auf das Pflaster schlagen.«
    Wir gingen das Problem an, als hätten wir einen Code zu knacken. Julias Theorie, die sich als richtig herausstellte, war, daß sich Elaine eine Kombination von Zahlen ausgedacht hatte, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten. Ihre Hausnummer, Postleitzahl, Telefonnummer, Sozialversicherungsnummern, Geburtsdatum. Jede von uns suchte sich eine Zahlengruppe aus und begann an unterschiedlichen Taschen zu arbeiten. Beim dritten Versuch erzielte ich den Treffer mit den letzten vier Zahlen ihres Sozialversicherungsausweises. Alle vier Koffer waren mit dem gleichen Nummerncode verschlossen, was die Aufgabe erleichterte.
    Wir öffneten sie auf dem Wohnzimmerboden. Sie waren mit genau den Dingen gefüllt, die man hätte erwarten können: Kleider, Modeschmuck, Shampoo, Deodorant, Slippers, Badeanzug. Aber sie waren in einem Durcheinander gepackt, wie man es nur aus den Filmen kennt,

Weitere Kostenlose Bücher