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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Kühlbox eines Blumenhändlers.
    Das Design sollte besänftigen und beruhigen, vor allem drüben in dem Bereich, der als »Kasse« gekennzeichnet war. Ich ging zum Informationsschalter, an dem eine Frau, die meiner alten Lehrerin aus der dritten Klasse ähnelte, in einer rosa gestreiften Schürze saß und mich erwartungsvoll ansah.
    »Hallo«, begrüßte ich sie. »Können Sie mir sagen, ob Kitty Wenner schon aufgenommen wurde? Man hat sie vor einer Weile in die Notaufnahme gebracht.«
    »Na, da muß ich mal nachschauen«, erwiderte sie.
    Ich bemerkte, daß auf ihrem Namensschild »Roberta Choat, freiwillige Helferin« stand. Das klang nach einer Folge aus einer Romanserie, die heute doch arg überholt wirkte. Roberta mußte Mitte Sechzig sein, und sie hatte alle möglichen Medaillen für gute Leistungen an ihren Schürzenlatz geheftet.
    »Hier haben wir’s. Sie heißt Katherine Wenner. Sie liegt auf der Drei Süd. Gehen Sie einfach diesen Flur entlang und um die Aufzüge herum zu der Bank auf der gegenüberliegenden Seite. Dritter Stock, und dann halten Sie sich links. Allerdings ist das eine geschlossene psychiatrische Station, und ich weiß nicht, ob Sie sie sehen dürfen. Die Besuchszeit ist vorbei, wissen Sie. Gehören Sie zur Familie?«
    »Ich bin ihre Schwester«, log ich leichthin.
    »Na schön, meine Güte, warum sagen Sie das nicht einfach der Krankenschwester vom Dienst oben auf der Station, und vielleicht wird sie Ihnen sogar glauben«, entgegnete Roberta Choat ebenso leichthin.
    »Das hoffe ich«, meinte ich. Eigentlich wollte ich Derek treffen.
    Ich ging wie angewiesen den Flur hinunter und um die Aufzüge herum zu der Bank auf der gegenüberliegenden Seite. Tatsächlich, da hing ein Schild, auf dem Südflügel stand, was ich beruhigend fand. Ich drückte den »Auf«-Knopf, und prompt öffneten sich die Türen. Ein Mann betrat hinter mir den Fahrstuhl, zögerte dann und beäugte mich, als sehe ich aus wie eine der Personen, vor denen ihn sein Merkblatt für die Verhütung von Vergewaltigungen gewarnt hatte. Er drückte »2« und blieb dann dicht an der Knopftafel stehen, bis er die zweite Etage erreicht hatte und aussteigen konnte.
    Der Südflügel sah besser aus als die meisten Hotels, in denen ich schon mal übernachtet habe. Natürlich war es hier auch teurer, und es wurden mehr Dienstleistungen angeboten, die mich allerdings nicht interessierten, zum Beispiel Autopsie. Alle Lampen brannten. Der Teppichboden war ein Feuermeer aus verbrannten Orangetönen, und an den Wänden hingen Van-Gogh-Reproduktionen — eine seltsame Auswahl für die Psychiatrische, wenn man mich fragt.
    Derek Wenner saß in einer Besucherecke vor einem Paar Doppeltüren mit kleinen, hinter Maschendraht eingeschlossenen Fenstern und einem Schild mit den Worten Für Zutritt bitte klingeln und einer Klingel darunter.
    Er rauchte gerade eine Zigarette, eine Ausgabe des National Geographie offen auf den Knien. Er sah mich ausdruckslos an, als ich mich neben ihn setzte.
    »Wie geht’s Kitty?« fragte ich.
    Langsam dämmerte es ihm. »Oh, tut mir leid. Ich habe Sie nicht erkannt, als Sie da um die Ecke kamen. Ihr geht’s besser. Sie haben sie soeben wieder zu Bewußtsein gebracht und beruhigen sie jetzt. In einer Weile werde ich zu ihr dürfen.« Sein Blick glitt zu den Aufzügen. »Glen ist nicht zufällig mitgekommen, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie Erleichterung und Hoffnung aus seinem Gesicht verschwand.
    »Erzählen Sie ihr nicht, daß Sie mich mit einer Zigarette erwischt haben«, meinte er verlegen. »Sie hat mich im vergangenen März dazu gebracht, daß ich aufhöre. Ich werfe die hier wieder weg, bevor ich heute nach Hause fahre. Es ist ja bloß, weil Kitty so krank ist, und dann noch all das andere —« Mit einem Achselzucken brach er ab.
    Ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, daß er nach Tabak stank. Glen müßte schon ohnmächtig sein, um das nicht zu bemerken.
    »Was führt Sie hierher?« fragte er.
    »Ich weiß nicht. Bobby ist ins Bett gegangen, und ich habe mich eine Weile mit Glen unterhalten. Ich dachte einfach, ich komme mal vorbei und schau nach, wie es Kitty geht.«
    Er lächelte und wußte wohl nichts damit anzufangen. »Ich habe gerade hier gesessen und daran gedacht, wie sehr mich das an die Nacht ihrer Geburt erinnert. Das stundenlange Warten im Flur und die Ungewißheit, wie das alles ausgehen würde. Damals ließ man die Väter noch nicht in den Kreißsaal, wissen Sie.

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