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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Wem kann man so was noch vormachen?
    »Vielleicht sollten wir es für heute dabei belassen«, meinte ich. »Ich bin sicher, dieser Tag war lang genug für Sie. Ich hätte noch gern den Namen und die Telefonnummer von Bobbys alter Freundin, wenn Sie die haben, und ich werde wohl auch mal mit Ricks Eltern sprechen. Können Sie mir sagen, wie ich sie erreichen kann?«
    »Ich gebe Ihnen die beiden Nummern«, erwiderte sie. Sie stand auf und ging zu einem kleinen antiken Schreibtisch aus Rosenholz mit Fächern und winzigen Schubladen entlang der Schreibfläche. Sie öffnete eine der großen unteren Schubladen und nahm ein ledernes Adreßbuch mit Monogramm heraus.
    »Ein wunderschöner Schreibtisch«, murmelte ich. Ebensogut hätte ich der englischen Königin sagen können, sie habe hübsche Juwelen.
    »Danke«, meinte Glen beiläufig, während sie in dem Adreßbuch blätterte. »Ich habe ihn letztes Jahr auf einer Auktion in London gekauft. Ich zögere, Ihnen zu sagen, was ich dafür bezahlt habe.«
    »Oh, lassen Sie’s doch drauf ankommen«, sagte ich fasziniert. Das Zusammensein mit diesen Menschen machte mich langsam schwindelig.
    »Sechsundzwanzigtausend Dollar«, murmelte sie und fuhr mit dem Finger eine Seite entlang.
    Ich merkte, wie ich philosophisch die Achseln zuckte. Na, prima Geschäft. Sechsundzwanzig Riesen waren so gut wie nichts für sie. Ich überlegte, was sie für Unterwäsche ausgab. Ich überlegte, was sie erst für Autos ausgab.
    »Hier steht’s.« Sie kritzelte die Informationen auf einen Notizblock, riß das Blatt ab und gab es mir.
    »Sie werden Ricks Eltern etwas schwierig finden, nehme ich an«, meinte sie.
    »Warum?«
    »Weil sie Bobby für Ricks Tod verantwortlich machen.«
    »Wie kommt er damit zurecht?«
    »Nicht besonders. Manchmal denke ich, er glaubt selbst daran — ein Grund mehr, der Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Kann ich Sie noch etwas fragen?«
    »Natürlich.«
    »Ist das >Glen< wie in »West Glen    »Anders herum«, erwiderte sie. »Ich bin nicht nach der Straße benannt worden. Die Straße ist nach mir benannt.«
    Als ich zu meinem Wagen zurückkam, hatte ich eine Menge Informationen zu verdauen. Es war halb zehn, total dunkel und zu kühl für eine Gaze-Tunika, die fünfzehn Zentimeter über dem Knie endet. Ich nahm mir ein paar Minuten Zeit, um aus der Strumpfhose zu schlüpfen und in meine lange Hose zu springen. Die Absatzschuhe warf ich auf den Rücksitz und zog statt dessen wieder meine Sandalen an; dann ließ ich den Wagen an und legte den Rückwärtsgang ein. Ich fuhr einen Halbkreis und suchte nach einer Ausfahrt. Dann sah ich den zweiten Abzweig der Einfahrt und fuhr ihm nach, wobei ich einen kurzen Blick auf die Rückseite des Hauses erhaschte. Vier beleuchtete Terrassen, jede mit einem reflektierenden Pool, der in der Nacht schwarz schimmerte und tagsüber wahrscheinlich aufeinanderfolgende Bilder der Berge widerspiegelte wie eine Serie übereinander gelegter Fotografien.
    Ich erreichte West Glen und bog nach links Richtung Stadt ab. Es hatte kein Zeichen dafür gegeben, daß Derek nach Hause gekommen war, und ich dachte, ich könnte ihn im St. Terry zu erwischen versuchen, bevor er nach Hause fuhr. Nebenbei überlegte ich, wie es wohl wäre, wenn es eine nach mir benannte Straße gäbe. Kinsey Avenue. Kinsey Road. Nicht schlecht. Ich kam zu dem Schluß, daß ich wohl mit dieser Bürde leben könnte, wenn es mal dazu kommen sollte.

6

    Das Krankenhaus von Santa Teresa sieht bei Nacht aus wie ein enormer Hochzeitskuchen im Art-Deco-Stil mit Außenlichtern aus Eis: drei Lagen in einem cremigen Weiß mit einem fehlenden rechteckigen Stück vorn, wo man den Eingang herausgeschnitten hatte. Die Besuchszeit war wohl schon vorbei, denn ich bekam einen Parkplatz gleich gegenüber. Ich verschloß den Wagen, überquerte die Straße und ging die kreisförmige Einfahrt hinauf. Oben war ein großer überdachter Säulengang, der zu mehreren Doppeltüren führte, die aufglitten, als ich mich ihnen näherte. Im Inneren des Gebäudes waren die Flurlichter gedämpft wie in einem Flugzeug auf Nachtflug. Zu meiner Linken befand sich die verlassene Cafeteria, in der immer noch eine Kellnerin arbeitete. Sie trug eine weiße Uniform, die fast wie eine Krankenschwesterntracht aussah. Zu meiner Rechten war ein Geschenkeladen mit einer Schaufensterdekoration, die aus dem bestand, was Krankenhäuser unter unanständiger Unterwäsche verstehen. Überall roch es nach toten Nelken aus der

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