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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Quelle, obwohl das Gespräch mit ihm nicht viel gebracht hatte. Kelly Borden war auch keine große Hilfe gewesen, doch immerhin war ich dieser Spur nachgegangen. Manchmal sind die Neins genauso wichtig wie die Jas, weil sie Sackgassen darstellen, die einem erlauben, das Untersuchungsgebiet so weit einzugrenzen, bis man in das Herz des Irrgartens vorgedrungen ist. In diesem Fall hatte ich nicht die geringste Ahnung, wo es liegen könnte oder was dort verborgen sein würde. Ich sah auf die Uhr. Es war Viertel vor zwölf, und ich dachte ans Mittagessen. Ich habe immer Schwierigkeiten, meine Mahlzeiten zur richtigen Zeit einzunehmen. Entweder bin ich nicht hungrig, wenn ich es sein sollte, oder ich bin hungrig und befinde mich nicht an einem Ort, wo ich anhalten und essen kann. Das Ganze wird zu einem Taktieren mit der Gewichtskontrolle, aber ich glaube kaum, daß es gut für meine Gesundheit ist. Ich ließ den Wagen an und fuhr Richtung Stadt.
    Ich ging wieder in das Biorestaurant, in dem Bobby und ich am Montag gegessen hatten. Ich hoffte aufrichtig, ihn dort zu treffen, aber er war nirgends zu sehen. Diesmal bestellte ich einen Salat »Langes Leben«, der meinen Nahrungsbedarf für den Rest meiner Tage zu 100 Prozent abdecken sollte. Was die Kellnerin mir brachte, war ein Teller voll Unkraut und Keimen, überzogen mit einem reizenden, rosafarbenen Dressing mit Pünktchen. Es schmeckte nicht annähernd so irre wie ein Viertelpfünder mit Käse, aber ich fühlte mich tugendhaft bei dem Gedanken an all dieses Chlorophyll, das jetzt durch meine Venen jagte.
    Als ich wieder in den Wagen stieg, untersuchte ich im Rückspiegel meine Zähne, um sicherzugehen, daß sie nicht mit Alfalfasprossen gesprenkelt waren. Ich ziehe es vor, keine Gespräche mit Leuten zu führen, wenn ich aussehe, als sei ich grade vom Grasen auf dem Feld zurück. Ich blätterte mein Notizbuch nach der Adresse von Rick Bergens Eltern durch und zog dann meine Straßenkarte hervor. Ich hatte keine Ahnung, wo die Turquesa Road war. Schließlich entdeckte ich sie, eine Straße von der Größe eines eingewachsenen Haares, die von einem gleichermaßen obskuren Weg in den Gebirgsausläufern abging, die sich über das hintere Ende der Stadt erstrecken.
    Das Haus war klein und schlicht, lauter senkrechte Linien, und hatte eine Einfahrt, die so steil war, daß ich sie lieber mied und meinen Wagen zwischen das unterhalb wachsende Eiskraut quetschte. Eine schmucklose Schlackensteinmauer verhinderte, daß der Hang auf die Straße rutschte. Sie schlängelte sich im Zickzack den Berg hoch und wirkte, als ob sie mit einer Reihe von Barrikaden gesichert sei. Als ich die Terrasse erreicht hatte, konnte ich eine imposante Aussicht genießen, ein Panoramabild Santa Teresas von einem Ende zum anderen mit dem Meer im Hintergrund. Ein Drachenflieger schwebte hoch oben zu meiner Rechten und segelte in trägen Runden zum Strand. Der Tag war voll grellen Sonnenscheins. Die dürftigen Wolken sahen aus wie gerade verdunstender weißer Meerschaum. Es herrschte Totenstille. Kein Verkehr, keine Spur von direkten Nachbarn. Ich sah zwar ein oder zwei Dachgiebel, aber man hatte nicht das Gefühl von menschlicher Präsenz. Die Landschaft war karg und bestanden mit Trockenpflanzen: Feuerdorn, Glyzinien und Sukkulenten.
    Ich klingelte. Der Mann, der an die Tür kam, war klein, nervös und unrasiert.
    »Mr. Bergen?«
    »Ja.«
    Ich reichte ihm meine Visitenkarte. »Ich bin Kinsey Millhone. Bobby Callahan hat mich beauftragt, den Unfall zu unter-«
    »Wozu?«
    Ich sah ihm in die Augen. Sie waren klein und blau mit roten Rändern. Seine Wangen waren stachlig von einem Zwei-Tage-Bart, mit dem er aussah wie ein Kaktus. Er war ein Mann Mitte Fünfzig, von dem ein Geruch nach Bier und Schweiß ausging. Sein sich lichtendes Haar hatte er glatt aus dem Gesicht gekämmt. Er trug eine Hose, die aussah, als habe er sie aus einer Kiste der Heilsarmee hervorgefischt, und ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Das Leben ist wie eine Hühnerleiter: kurz und beschissen.« Seine Arme waren weich und formlos, aber sein Bauch stand hervor wie ein Baseball, den man auf Maximaldruck aufgepumpt hatte. Ich wollte ihm schon in dem gleichen rüden Ton antworten, den er mir gegenüber anschlug, aber ich zügelte meine Zunge. Dieser Mann hatte einen Sohn verloren. Keiner sagte, daß er höflich sein müßte.
    »Er glaubt, der Unfall war ein Anschlag auf sein Leben«, erklärte ich.
    »Quatsch. Ich will ja nicht unhöflich

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