Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Mordversuch war, dann war er schließlich erfolgreich.«
Ihre Miene war ausdruckslos. Sie senkte den Blick. »Was werden Sie nun tun?«
»Passen Sie auf. Ich habe immer noch Geld von dem Vorschuß übrig, den Bobby mir gegeben hat. Ich werde arbeiten, bis ich herausgefunden habe, wer ihn umgebracht hat.«
Sie sah mich an, und in ihrem Blick lag Verwunderung. »Warum wollen Sie das tun?«
»Um abzurechnen. Ich mag ausgeglichene Konten, Sie nicht?«
»O doch«, gab sie zurück.
Wir starrten uns einen Moment lang an, dann hob sie ihr Glas. Ich nahm meines hoch, und wir tranken.
Als Derek kam, gingen die beiden hinauf, und ich verbrachte mit Glens Erlaubnis die nächsten drei Stunden mit der erfolglosen Durchsuchung ihrer Stube und Kittys Zimmer. Dann ging ich hinaus und fuhr nach I lause.
14
Am Montagmorgen um acht Uhr war ich wieder zum Training in der Halle. Ich hatte das Gefühl, eine Reise zum Mond und zurück hinter mir zu haben. Unwillkürlich sah ich mich nach Bobby um. Eine Tausendstelsekunde später wurde mir klar, daß er fort war und nie wieder hier sein würde. Das gefiel mir nicht besonders. Jemanden zu vermissen ist eine vage, unangenehme Empfindung, wie eine nagende Furcht. Sie ist nicht so konkret wie richtiges Leid, aber genauso beherrschend und ausweglos. Ich bewegte mich ständig und trainierte hart, als könne der körperliche Schmerz sein emotionales Gegenstück vernichten. Jede einzelne Minute mußte aus Aktivität bestehen, und vermutlich hat es funktioniert. In gewisser Beziehung ist das wie Sportgel bei Muskelkater. Man will daran glauben, daß es einem guttut, aber es fällt einem kein Grund ein, warum es so sein sollte. Es ist besser als gar nichts, doch es ist auch keine Heilung.
Ich duschte, zog mich an und fuhr zum Büro. Seit Mittwochnachmittag war ich nicht mehr da gewesen. Die Post mehrerer Tage hatte sich gestapelt, und ich warf sie auf den Schreibtisch. Am Anrufbeantworter blinkte das Nachrichtenlicht, doch ich hatte erst ein paar andere Dinge zu erledigen. Ich öffnete die Schiebetüren, um ein bißchen Frischluft hereinzulassen, und machte mir eine Kanne Kaffee. Dann sah ich nach der halbfetten Milch in dem kleinen Kühlschrank und schnüffelte am Pappausguß. Genau an der Grenze. Ich würde bald neue kaufen müssen. Als der Kaffee fertig war, suchte ich mir einen sauberen Becher und füllte ihn. Die Milch bildete ein bedenkliches Muster auf der Oberfläche, aber sie schmeckte noch okay. Manchmal trinke ich meinen Kaffee schwarz, manchmal mit Milch, aus Gründen der Bekömmlichkeit. Ich setzte mich in meinen Schaukelstuhl und legte die Füße hoch. Dann drückte ich den Rücklaufknopf am Anrufbeantworter.
Das Band spulte sich zurück, und Bobbys Stimme erklang. Ich fühlte, wie ein eisiger Finger mich im Nacken berührte, als ich erkannte, wer da sprach.
»Hallo Kinsey. Hier ist Bobby. Tut mir leid, daß ich mich vorhin so idiotisch benommen habe. Ich weiß, daß du mich nur aufheitern wolltest. Mir ist etwas eingefallen. Ich weiß, daß es nicht viel Sinn ergibt, aber ich dachte, ich geb’s dir trotzdem mal durch. Ich glaube, der Name Blackman hat etwas mit der Sache zu tun. Sowieso Blackman. Ich weiß nicht, ob das der ist, dem ich das kleine rote Buch gegeben habe, oder der Typ, der mich verfolgt hat. Vielleicht hat es auch gar nichts zu bedeuten, so wie mein Hirn die Sachen durcheinanderbringt. Jedenfalls können wir uns später die Köpfe darüber zerbrechen und sehen, was dabei herauskommt. Ich muß noch ein paar Dinge erledigen und dann zu Kleinert. Ich werde es nachher noch mal bei dir versuchen. Vielleicht können wir später am Abend noch ein Bier trinken gehen oder sowas. Jetzt erstmal Tschüß, Kleines. Paß gut auf dich auf.«
Ich schaltete das Gerät ab und starrte es an.
Ich langte nach dem Telefonbuch in der obersten Schublade und zog es hervor. Ein Blackman war aufgeführt, ein S. Keine Adresse. Wahrscheinlich eine Frau, die auf diese Art obszöne Anrufe zu verhindern suchte. Meine Methode ist es, die naheliegendsten Dinge zuerst zu versuchen. Ich meine, warum auch nicht? Vielleicht hatte Sarah, Susan oder Sandra Blackman Bobby gekannt und war im Besitz seines kleinen roten Buches, oder vielleicht hatte er ihr genau erzählt, was vor sich ging, und ich würde die ganze Geschichte mit einem Telefongespräch aufdecken können. Kein Anschluß unter dieser Nummer. Ich versuchte es noch einmal, um ganz sicherzugehen. Dieselbe Bandstimme schaltete sich
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