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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Anzug war aus hellgelbem, elastischem Stoff, der die breiten Schultern und die schmalen Hüften einer Sportlerin hervortreten ließ. Wenn sie auch nur ein Gramm Fett an sich hatte, so konnte ich es nirgendwo entdecken. Sie hatte zwar keine nennenswerten Brüste, aber das Gesamtbild war trotzdem ausgesprochen weiblich. Das war kein Strandhäschen. Die nahm sich selbst ernst, und sie wußte, was Fitness wirklich heißt — durch die Übungen zu fliegen, ohne auch nur schwer zu atmen. Jede andere Frau hier quälte sich. Es machte mich dankbar, daß mir meine drei Meilen Jogging pro Tag reichten. Ich würde niemals so gut aussehen wie sie, aber so schlecht war der Tausch auch nicht.
    Carrie ließ die Gruppe abkühlen, ein langsames Dehnen und ein paar Yogabewegungen, worauf sie sich auf dem Boden ausbreiteten wie Verwundete auf einem Schlachtfeld. Sie drehte die Musik ab, schnappte sich ein Handtuch und verbarg ihr Gesicht darin. So ging sie aus dem Raum durch eine Tür, die genau unter mir war. Ich suchte die Treppe und lief hinunter. An der Trinkwasserfontäne direkt vor den Umkleideräumen holte ich sie ein. Ihre Haare fielen über die Schultern wie der Schleier einer Nonne, und sie mußte sie zu einem Knoten zusammenfassen und an einer Seite hochhalten, um trinken zu können, ohne daß sie naß wurden.
    »Carrie?«
    Sie kam hoch und tupfte sich mit dem Ärmel ihres Anzugs ein paar Schweißtropfen ab. Sie hatte das Handtuch jetzt um den Hals gelegt wie ein Boxer, der gerade aus dem Ring kommt. »Ja, die bin ich.«
    Ich sagte ihr, wer ich war und was ich machte, und fragte sie dann, ob wir über Bobby Callahan sprechen könnten.
    »In Ordnung, aber das müssen wir tun, während ich mich zurechtmache. Ich muß um zwölf hier weg.«
    Ich folgte ihr durch die Tür in die Umkleidekabinen. Der Grundriß war klar gegliedert und wies auf der rechten Seite eine Art Tresen auf, der den halben Raum umgab; ferner gab es mehrere Reihen Metallspinde und einige an die Wand montierte Haartrockner. Die Kacheln waren von einem reinen Weiß, wie überhaupt der ganze Raum makellos war, mit im Boden verankerten Bänken und rundum Spiegeln. Irgendwo zur Linken, außerhalb meiner Sicht, hörte ich Duschen laufen. Nach und nach kamen die Frauen aus der Gruppe herein, und der Pegel des Gelächters würde, wie ich wußte, ansteigen, je mehr sich der Raum füllte.
    Carrie trat sich die Schuhe von den Füßen und pellte sich den Gymnastikanzug wie eine Bananenschale vom Leib. Ich beschäftigte mich damit, mir einen Sitzplatz zu suchen. Normalerweise ist es nicht meine Art, nackte Damen in einem Raum voll schnatternder Stripperinnen zu befragen. Ich bemerkte, daß sie genauso rochen wie die Typen im Santa Teresa Fitness Center, und fand das schön.
    Ich wartete, während sie ihr Haar unter einer Plastikhaube verstaute und in den Duschraum ging. In der Zwischenzeit stolzierten Frauen in den verschiedensten Stadien der Nacktheit an mir vorüber. Ein beruhigender Anblick. So viele verschiedene Versionen weiblicher Brüste, Hintern, Bäuche und Schamhaarnester, endlose Wiederholungen der gleichen Formen. Diese Frauen schienen sich in ihrer Haut wohl zu fühlen, und es gab eine Kameradschaftlichkeit unter ihnen, die ich genoß.
    In ein Handtuch gehüllt kam Carrie vom Duschen zurück. Sie nahm die Haube ab und gab ihrer dunklen Mähne einen Stoß. Dann begann sie sich abzutrocknen und redete dabei über die Schulter hinweg zu mir.
    »Ich habe daran gedacht, zur Beerdigung zu kommen, doch ich hab’s einfach nicht geschafft. Waren Sie da?«
    »Ja. Ich kannte Bobby noch nicht sehr lange, aber es war hart. Sie sind mit ihm gegangen, als er den Unfall hatte, nicht wahr?«
    »Eigentlich hatten wir gerade Schluß gemacht. Wir waren zwei Jahre lang zusammen, und dann lief’s nicht mehr richtig. Unter anderem wurde ich schwanger, und das war dann das Ende. Er zahlte die Abtreibung zwar noch, aber zu dem Zeitpunkt hatten wir nicht mehr viel miteinander zu tun. Ich habe mich schrecklich gefühlt, als er so verletzt worden war, aber ich bin nicht zu ihm gegangen. Ich weiß, daß man mich deshalb für abgebrüht hielt, aber was hätte ich tun sollen? Es war vorbei. Warum hätte ich mich treuherzig in seiner Nähe aufhalten sollen, nur, um eine gute Figur abzugeben?«
    »Haben Sie irgend etwas über den Unfall gehört?«
    »Nur, daß ihn jemand von der Straße abgedrängt hat.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte oder warum es geschah?«
    Sie

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