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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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wieder ein. Ich machte mir eine Notiz. Die Nummer konnte immer noch stimmen. Vielleicht hatte S. Blackman die Stadt verlassen oder war unter mysteriösen Umständen gestorben.
    Ich drückte den Rücklaufknopf, bloß um Bobbys Stimme noch mal zu hören. Unruhe ergriff mich, und ich überlegte, wie ich der Sache auf den Grund gehen konnte. Noch einmal sah ich Bobbys Akte durch. Ich hatte noch nicht mit seiner ehemaligen Freundin, Carrie St. Cloud, gesprochen, und das schien eine vernünftige Möglichkeit zu sein. Glen hatte mir zwar gesagt, sie sei nach dem Unfall von der Bildfläche verschwunden, doch vielleicht konnte sie sich an etwas aus der Zeit vorher erinnern. Ich versuchte es mit der Nummer, die Glen mir gegeben hatte, und führte ein kurzes Gespräch mit Carries Mutter, der ich erläuterte, wer ich war und warum ich mit ihrer Tochter sprechen wollte. Carrie war offensichtlich vor einem Jahr aus dem elterlichen Haus ausgezogen und wohnte nun in einem kleinen Appartement, das sie mit einer Zimmergenossin teilte. Sie arbeitete jetzt als festangestellte Aerobic-Lehrerin in einem Studio an der Chapel. Ich notierte mir die beiden Adressen von Arbeitsstelle und Wohnung und dankte der Frau. Dann stellte ich den Becher weg, schaltete die Kaffeemaschine aus, verschloß das Büro und lief die Hintertreppe hinunter.
    Es war ein bewölkter Tag mit einem Himmel wie eine niedrige weiße Zimmerdecke. Hellgrauer Dunst schien die Straßen mit kühler Luft zu füllen. Nach der unerträglichen Hitze der letzten Wochen wirkte das merkwürdig. In letzter Zeit war das Wetter in Santa Teresa von der Norm abgewichen. Früher konnte man auf klare, sonnige Himmel und ein ruhiges, wohl temperiertes Meer zählen. Hinter den Bergen zogen sich vielleicht mal ein paar Wolken zusammen, aber mehr wegen des schönen Anblicks als aus anderen Gründen. Der Regen kam pflichtbewußt im Januar — zwei Wochen permanentes Schütten. Danach verwandelte sich die Landschaft in ein Smaragdgrün, und Bougainvillea und Geißblatt explodierten gegenüber der Stadt wie grelles Make-up. Heutzutage gibt es unerklärlichen Regen im April und im Oktober und kühle Tage wie diesen im August, wenn die Temperatur dreißig Grad betragen sollte. Der Wandel ist auffällig, es ist eine Art von klimatischer Veränderung, die in Verbindung gebracht wird mit Ausbrüchen von Vulkanen in der Südsee und Gerüchten über die durch Haarspray zerstörte Ozonschicht.
    Das Studio war nur einen halben Block entfernt in einem ehemaligen Squashcenter untergebracht, das Pleite gemacht hatte, als das Interesse an Squash verflogen war. Da Aerobic im Kommen war, verwandelte man logischerweise all diese leeren, schmalen Räume mit Hartholzböden in kleine, fettverbrennende Öfen für Frauen, die sich danach sehnten, dünn und fit zu sein. Ich fragte, ob Carrie Unterricht gebe, und die Frau am Eingang wies stumm auf die Quelle der ohrenbetäubenden Musik, die eine weitere Unterhaltung bestenfalls aussichtslos erscheinen ließ. Ich folgte dem Ende ihres Fingers und ging um die Ecke. Zu meiner Rechten befand sich ein hüfthohes Geländer, das den Blick auf eine Aerobic-Gruppe freigab — ein Stockwerk tiefer, in voller Aktion.
    Die Akustik war schrecklich. Von der Beobachtungsgalerie aus sah ich ihnen zu, während die Musik dröhnte. Carrie brüllte Ermutigendes, und fünfzehn der bestaussehenden Frauenkörper dieser Stadt trainierten mit einem Fanatismus, wie ich ihn selten gesehen habe. Offenbar hatte ich die Gruppe beim Höhepunkt erwischt. Sie übten obszön aussehende Schwünge mit dem Hintern: Frauen in metallicfarbenen, hautengen Gymnastikanzügen, die auf dem Boden lagen und stöhnten, während sie Hüftstöße und Beckenquetschungen machten, als mühten sich mehrere unsichtbare Partner gleichzeitig auf ihnen ab.
    Carrie St. Cloud war eine Überraschung. Vom Namen her hatte ich mir eine zweite Siegerin beim Teenie-Schönheitswettbewerb vorgestellt, oder vielleicht eine angehende Schauspielerin, die in Wirklichkeit Wanda Maxine Smith hieß. Ich hatte an eine durchschnittliche kalifornische Schönheit gedacht — der zurechtgemachte Körper einer Surferin, blonde Haare, blendend weiße Zähne, vielleicht eine Vorliebe für Steptanz. Sie hatte nichts von alledem.
    Sie war höchstens zweiundzwanzig, hatte die Muskulatur eines Bodybuilders und taillenlange schwarze Haare. Ihr Gesicht war ausgeprägt wie das einer griechischen Statue, mit einem vollen Mund und einem runden Kinn. Ihr

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