Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Setzen Sie sich.«
Während er sich weiter umschaute, zog er einen Stuhl heran und setzte sich. Er trug ein Polohemd, eine weiße Hose und zweifarbige Schuhe. »So sieht es also aus, nicht?«
Das war wohl seine Art von Smalltalk, nahm ich an. Ich setzte mich und ließ ihn ein wenig plappern. Er wirkte nervös, und ich konnte mir nicht vorstellen, was ihn hergeführt hatte. Wir schwätzten dummes Zeug und demonstrierten Wohlwollen. Ich hatte ihn erst ein paar Stunden vorher gesehen, und so viel Gesprächsstoff hatten wir auch nicht.
»Wie geht es Glen?« fragte ich.
»Gut«, nickte er. »Es geht ihr ganz prima. Mein Gott, ich weiß nicht, wie sie das überstanden hat, aber, wissen Sie, sie hat eine zähe Natur.« Er sprach in einem leicht zweifelnden Tonfall, als sei er sich nicht wirklich sicher, ob er die Wahrheit sagte.
Dann räusperte er sich, und die Klangfarbe seiner Stimme änderte sich.
»Okay, ich werde Ihnen sagen, warum ich vorbeigekommen bin«, meinte er. »Bobbys Anwalt hat mich vorhin angerufen, um mit mir über die Bedingungen von Bobbys Testament zu reden. Kennen Sie Varden Talbot?«
»Nicht persönlich. Er sandte mir die Kopien des Berichts über Bobbys Unfall zu, aber das ist auch schon alles.«
»Ein cleverer Bursche«, fand Derek. Er wich aus. Ich dachte, es könnte besser sein, ihn ein bißchen zu schubsen, sonst würde er den ganzen Tag brauchen.
»Was hatte er zu sagen?«
Dereks Gesichtsausdruck bestand aus einer wundervollen Mischung aus Unbehaglichkeit und Ungläubigkeit. »Tja, das ist eben das Erstaunliche«, druckste er herum. »Aus seinen Andeutungen schließe ich, daß meine Tochter den Großteil von Bobbys Geld erbt.«
Ich brauchte ein paar Minuten, um mir klarzumachen, daß die Tochter, auf die er sich bezog, Kitty Wenner war — Kokserin, zur Zeit wohnhaft in der Psychoabteilung im St. Terry. »Kitty?« staunte ich.
Er rutschte auf seinem Sitz herum. »Ich war selbstverständlich ebenfalls überrascht. Wie ich Varden verstanden habe, hat Bobby ein Testament aufgesetzt, als er vor drei Jahren über sein Geld verfügen konnte. Damals hatte er alles Kitty überlassen wollen. Dann, einige Zeit nach dem Unfall, fügte er einen Nachtrag hinzu, damit ein bißchen von dem Geld an Ricks Eltern geht.«
Ich war kurz davor, zu fragen: »Ricks Eltern?«, als litte ich unter Echolalie, doch ich klappte meinen Mund wieder zu und ließ ihn fortfahren.
»Glen wird nicht vor dem späten Abend zurück sein, also weiß sie noch nichts davon. Ich nehme an, sie wird morgen früh mit Varden reden wollen. Er sagte, daß er eine Kopie des Testaments anfertigen und uns zusenden werde. Er wird weitermachen und die Testamentseröffnung anmelden.«
»Und Sie sind der erste, der etwas davon erfahren hat?«
»Soweit ich weiß, ja.« Er fuhr fort zu reden, während ich herauszufinden versuchte, was das zu bedeuten hatte. Geld als Motiv scheint immer der direkteste Weg zu sein. Finde heraus, wer finanziell profitiert, und fang da an. Kitty Wenner. Phil und Reva Bergen.
»Entschuldigung«, unterbrach ich ihn. »Nur, über wieviel Geld sprechen wir hier eigentlich?«
Derek hielt inne, um sich mit der Hand übers Kinn zu fahren, als wollte er prüfen, ob eine Rasur fällig sei. »Nun, hundert Riesen für Ricks Eltern, und, tja, ich weiß nicht. Kitty wird wahrscheinlich ein paar Millionen bekommen. Davon muß man natürlich die Erbschaftssteuer abziehen...«
All die kleinen Nullen begannen in meinem Kopf herumzutanzen wie Zuckererbsen. »Hundert Riesen« und »ein paar Millionen« wie bei einhunderttausend Dollar und noch mal zwei Millionen. Ich saß nur da und starrte ihn an. Warum war er hergekommen, um mir den Quatsch zu erzählen?
»Wo liegt der Haken?« fragte ich.
»Wie?«
»Ich frage mich bloß gerade, warum Sie mir das alles erzählen. Gibt es dabei ein Problem?«
»Vermutlich mache ich mir Sorgen um Glens Reaktion. Sie wissen ja, wie sie über Kitty denkt.«
Ich zuckte die Achseln. »Es war Bobbys Geld, mit dem er machen konnte, was er wollte. Wie könnte sie etwas dagegen haben?«
»Glauben Sie nicht, daß sie es anfechten wird?«
»Derek, ich kann nicht darüber spekulieren, was Glen tun könnte. Sprechen Sie mit ihr.«
»Ja, ich nehme an, das werde ich tun, wenn sie zurück ist.«
»Ich vermute, das Geld soll in eine Art Treuhandfonds geleitet werden, da Kitty erst siebzehn ist. Wer ist zum Verwalter bestimmt? Sie?«
»Nein, nein. Die Bank.
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