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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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weiche Aussehen eines Marshmallow. Normalerweise hält sie sich gern an etwas fest, wenn sie mit Rosie spricht: einen Bund Bleistifte, einen Holzlöffel — irgendeinen Talisman, um sich vor Angriffen zu schützen. Heute war es das Geschirrtuch, das sie mitgebracht hatte. Offensichtlich hatte Rosie sie mitten in der Hausarbeit unterbrochen, und sie war, wie befohlen, gleich herübergeeilt. Sie fürchtete Rosie, wie jeder mit ein bißchen gesundem Menschenverstand. Rosie schoß sofort los und verzichtete auf Höflichkeiten jeder Art.
    »Wer ist diese Lila Sams?« fragte sie. Dabei nahm sie das Hackmesser und begann auf ein Stück Kalbfleisch zu klopfen, worauf Moza zurückschreckte.
    Als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, war sie ängstlich und weich. »Ich weiß nicht genau. Sie stand vor meiner Tür und sagte, sie komme auf die Anzeige in der Zeitung hin, aber das war alles ein Irrtum. Ich hatte gar kein Zimmer zu vermieten, und das sagte ich ihr auch. Nun, die Arme brach in Tränen aus — was sollte ich tun? Ich mußte sie auf eine Tasse Tee hereinbitten.«
    Rosie hielt inne, um sie ungläubig anzustarren. »Und dann hast du ihr ein Zimmer vermietet?«
    Moza faltete das Geschirrtuch und formte eine Figur damit, wie bei den Servietten in schicken Restaurants. »Eigentlich nicht. Ich sagte ihr, sie könne bei mir wohnen, bis sie etwas gefunden hätte, aber sie bestand darauf, dafür zu bezahlen. Sie wollte niemandem etwas schuldig bleiben, sagte sie.«
    »So was nennt man Zimmervermietung. Das ist es nämlich«, schnauzte Rosie.
    »Tja, sicher. Wenn du es so ausdrücken willst.«
    »Wo kommt diese Frau her?«
    Moza schlug das Handtuch wieder auf und tupfte es an ihre Oberlippe, um sich den Schweiß abzuwischen. Dann breitete sie es im Schoß aus und bügelte es mit der Hand, wobei sie die Finger keilförmig wie ein Bügeleisen zusammenpreßte. Ich sah, wie Rosies harter Blick jeder ihrer Bewegungen folgte, und dachte, gleich würde sie Mozas Hand einen Schlag mit dem Hackmesser versetzen. Moza mußte das gleiche gedacht haben, denn sie hörte auf, mit dem Handtuch herumzuspielen, und sah schuldbewußt zu Rosie auf. »Was?«
    Langsam und deutlich, als spräche sie mit einem Ausländer, fragte Rosie: »Wo kommt Lila Sams her?«
    »Aus einer kleinen Stadt in Idaho.«
    »Welcher kleinen Stadt?«
    »Nun, ich weiß nicht«, wehrte Moza ab.
    »Du läßt eine Frau in deinem Haus wohnen, und du weißt nicht, aus welcher Stadt sie stammt?«
    »Was macht das schon?«
    »Und du weißt nicht, was das ausmacht?« Rosie starrte sie mit übertriebenem Erstaunen an. Moza sah weg und faltete das Handtuch zu einer Bischofsmütze.
    »Du wirst mir einen Gefallen tun und es herausfinden«, bestimmte Rosie. »Bringst du das fertig?«
    »Ich werd’s versuchen«, erwiderte Moza. »Aber sie hat es nicht gern, wenn man sich in ihre Angelegenheiten mischt. Das hat sie mir gesagt, und es war ihr ziemlich ernst.«
    »Mir ist es auch sehr ernst. Mir ist es ernst damit, daß ich diese Lady nicht leiden kann, und ich will wissen, was sie vorhat. Du findest heraus, wo sie herkommt, und Kinsey kann sich um den Rest kümmern.
    Und ich brauche dir wohl nicht zu sagen, Moza, daß ich nicht will, daß Lila Sams davon erfährt. Verstanden?«
    Moza wirkte in die Ecke getrieben. Ich konnte sie mit sich kämpfen sehen. Sie versuchte zu entscheiden, was schlimmer war: Rosie in Wut zu bringen oder von Lila Sams beim Schnüffeln erwischt zu werden. Es sah nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus, doch ich wußte bereits, auf wen ich setzte.

16

    Später am Tag fuhr ich ins Büro zurück und listete meine Notizen auf. Es waren zwar nicht viele, aber ich gerate nicht gern ins Hintertreffen. Auch wenn Bobby tot war wollte ich normale Berichte schreiben und gelegentlich ausführliche Rechnungen hinzufügen, selbst wenn es nur für mich war. Ich hatte seine Akte in die Schublade zurückgelegt und war gerade dabei, meinen Schreibtisch aufzuräumen, als es an der Tür klopfte und Derek Wenner hereinspähte.
    »Oh, hallo. Ich hatte gehofft, Sie hier anzutreffen.«
    »Hallo Derek. Kommen Sie rein«, erwiderte ich.
    Einen Moment lang stand er unentschlossen da und ließ seinen Blick einmal über mein kleines Büro schweifen. »Irgendwie hatte ich es mir nicht so vorgestellt«, gestand er. »Hübsch. Ich meine, es ist zwar klein, aber praktisch. Ach ja, wie hat es mit Bobbys Kiste geklappt? Erfolg gehabt?«
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit, sie mir genauer anzusehen.

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