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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hier auf der Terrasse unterhalten.«
    Widerwillig sah sie mich an und trat dann zögernd zurück, um mich einzulassen. Sie war einen halben Kopf kleiner als ich, und ihre blonden Haare waren so dünn, daß ich streckenweise die Kopfhaut darunter erkennen konnte. Ich hatte sie nicht als den Typ Frau eingeschätzt, der zum Faulenzen einen hautengen, pfirsichfarbenen Satinmorgenmantel und dazu passende Pantöffelchen mit Pompons obendrauf trägt. So ein Flitterzeug. Beinahe wäre mir ein »Echt geil« herausgerutscht, aber ich hatte Angst, sie könnte mir das übelnehmen.
    Nachdem ich eingetreten war, machte ich mit meiner geistigen Sofortbildkamera ein schnelles Foto, das ich zur späteren Beurteilung abheftete. Das Zimmer war vollgestopft, unordentlich und vermutlich unsauber, gemessen an den Stapeln benutzten Geschirrs hier und da, den verwelkten Blumen in der Vase und dem überquellenden Abfallkorb. Das Wasser auf dem Grund der Vase war trübe vor Bakterien und roch wahrscheinlich wie die letzten Stadien irgendeiner ansteckenden Krankheit. Auf der Lehne eines Fernsehsessels stand ein knitteriges Zellophanpäckchen, an dem ich erkannte, daß sie Dings-Dongs genascht hatte. Eine Reader’s Digest -Ausgabe gekürzter Romane lag aufgeschlagen und mit der bedruckten Seite nach unten auf dem Sofa. Der Raum roch nach Peperonipizza, von der ich tatsächlich ein Stück erspähte — in einer Schachtel, die auf dem Fernsehapparat stand. Aufgeheizt durch die Betriebswärme des Gerätes, mischte sich der Duft von Oregano und Mozarellakäse mit dem Geruch nach heißer Pappe. Meine Güte, dachte ich, wann habe ich eigentlich das letzte Mal gegessen?
    »Wohnen Sie allein?« fragte ich.
    Sie sah mich an, als wollte ich die Örtlichkeiten ausspionieren. »Na und?«
    »Ich dachte mir, daß Sie alleinstehend sind. Mir fiel nur gerade auf, daß mir das nie jemand ausdrücklich gesagt hat.«
    »Es ist reichlich spät für Untersuchungen dieser Art«, kam es scharf zurück. »Was wollen Sie?«
    Ich finde es so befreiend, wenn andere Menschen grob werden. Dadurch fühle ich mich sanft und träge und böse. Ich lächelte sie an. »Ich habe Bobbys Adreßbuch gefunden.«
    »Was geht mich das an?«
    »Ich bin an Ihrer Beziehung zu ihm interessiert.«
    »Ich hatte keine Beziehung zu ihm.«
    »Da habe ich etwas anderes gehört.«
    »Nun, dann haben Sie sich eben verhört. Natürlich kannte ich ihn. Er war Glens einziges Kind, und ich bin ihre beste Freundin, und das seit Jahren. Abgesehen davon hatten Bobby und ich uns nicht viel zu sagen.«
    »Warum mußten Sie sich dann unten am Strand mit ihm treffen?«
    »Ich habe mich nie mit Bobby am Strand >getroffen<«, fuhr sie mich an.
    »Jemand hat Sie mehr als einmal mit ihm gesehen.«
    Sie zögerte. »Vielleicht bin ich ihm ein- oder zweimal zufällig über den Weg gelaufen. Warum auch nicht? Ich habe ihn auch im Krankenhaus gesehen.«
    »Ich habe mich gefragt, worüber Sie sich unterhalten haben, das ist alles.«
    »Ich bin sicher, daß wir über viele Dinge geredet haben«, meinte sie. Ich konnte förmlich sehen, wie sie die Gangart wechselte und es mit einem anderen Kurs versuchte. Ihre Gereiztheit ließ ein wenig nach. Augenscheinlich entschloß sie sich, ihren Charme spielen zu lassen. »Herrje, ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Es tut mir leid, wenn ich unhöflich gewirkt habe. Da Sie schon einmal hier sind, können Sie auch Platz nehmen. Ich habe Wein kalt stehen, falls Sie welchen möchten.«
    »Sehr gern, vielen Dank.«
    Sie ging aus dem Zimmer. Wahrscheinlich war sie dankbar für die Gelegenheit, Zeit zu schinden, um sich zu überlegen, wie sie ihre Spur verwischen könnte. Ich wiederum war höchst erfreut über die Möglichkeit, herumzuschnüffeln. Schnell ging ich zu dem Lehnstuhl hinüber und sah mir den Tisch daneben genauer an. Die Platte war voller Sachen, die ich nicht berühren wollte. Sachte zog ich die Schublade auf. Ihr Inneres sah aus wie ein Krimskramsbehälter für Haushaltsabfall. Batterien, Kerzen, eine Verlängerungsschnur, Gebrauchsanweisungen, Gummibänder, Streichholzschachteln, zwei Knöpfe, Nähzeug, Stifte, Werbepost, eine Kuchengabel, eine Heftmaschine — und alles umgeben von angehäuftem Schmutz. Mit der Hand fuhr ich hinter dem Sesselpolster entlang und fand eine Münze, die ich dort stecken ließ. Ich hörte das Zwitschern eines Weinkorkens in der Küche und das Klingeln von Weingläsern, die sie aus dem Schrank nahm. Auf dem Weg zurück zum

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